Wildraut, Christiane; Plesch, Gudrun; Ziron, Martin; Mergenthaler, Marcus; Härlen, Ingo; Simons, Johannes; Hartmann, Monika: Multimethodische Bewertung von Schweinehaltungsverfahren durch Verbraucher anhand von Videos aus realen Schweineställen. Bonn: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Landwirtschaftliche Fakultät, Lehr- und Forschungsschwerpunkt Umweltverträgliche und Standortgerechte Landwirtschaft USL, 2015. In: Mergenthaler, Marcus (Hrsg.): Forschungsbericht / Lehr- und Forschungsschwerpunkt "Umweltverträgliche und Standortgerechte Landwirtschaft" an der Landwirtschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, 179.
Online-Ausgabe in bonndoc: https://hdl.handle.net/20.500.11811/1276
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author = {{Christiane Wildraut} and {Gudrun Plesch} and {Martin Ziron} and {Marcus Mergenthaler} and {Ingo Härlen} and {Johannes Simons} and {Monika Hartmann}},
editor = {{Marcus Mergenthaler}},
title = {Multimethodische Bewertung von Schweinehaltungsverfahren durch Verbraucher anhand von Videos aus realen Schweineställen},
publisher = {Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Landwirtschaftliche Fakultät, Lehr- und Forschungsschwerpunkt Umweltverträgliche und Standortgerechte Landwirtschaft USL},
year = 2015,
series = {Forschungsbericht / Lehr- und Forschungsschwerpunkt "Umweltverträgliche und Standortgerechte Landwirtschaft" an der Landwirtschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität},
volume = 179,
note = {Das gemeinschaftliche Projekt der Fachhochschule Südwestfalen und der Universität Bonn im Rahmen des Forschungsnetzwerkes NRW Agrar zielte darauf ab, Verbrauchern Einblick in reale, aktuelle Schweinehaltungsverfahren zu bieten und diese Verfahren bewerten zu lassen. Um an Informationen zur Verbraucherakzeptanz unterschiedlicher Haltungsverfahren sowie zu verbraucherseitigen Bewertungskriterien zu gelangen, wurden Videofilme von Schweineställen produziert, die nach Einschätzung von Interessensvertretern seitens einer Tierschutzorganisation, einer Verbraucherorganisation und der landwirtschaftlichen berufsständischen Vertretung einen Überblick über den aktuellen Stand der Haltungsverfahren im Bereich der Mastschweinehaltung geben. Diese Videofilme wurden in Gruppendiskussionen eingespielt und als Stimulus für Gruppendiskussionen zur Ableitung von Bewertungskriterien von Schweinhaltungsverfahren genutzt. Damit wurden methodische Grundlagen und Ansätze entwickelt und erprobt, auf die in zukünftigen Forschungsprojekten zurückgegriffen werden kann. Ferner konnte durch dieses Projekt die Vernetzung innerhalb der nordrhein-westfälischen Agrarforschung gestärkt werden und somit ein Beitrag in Bezug auf übergeordnete Forschungsprogramme geleistet werden, die die Nutztierhaltung fokussieren. In diesem Projekt wurden zwei unterschiedliche Methoden verwendet. Zum einen wurden die Aussagen der Diskussionsteilnehmer (Verbraucher) inhaltsanalytisch ausgewertet, um Bewertunsgkriterien und deren Begründungszusammenhänge abzuleiten. Diese Ergebnisse wurden beispielhaft für das Bewertungskriterium „Platzangebot“ mit Hilfe der Means-End-Chain-Theorie strukturiert. Zum anderen wurden nach der Methode der morphologischen Wirkungspsychologie über die Erfassung der Meinungsebene hinausgehend unbewusste Bestimmungsfaktoren für die Akzeptanzbildung bezüglich Tierhaltungsverfahren bei den Verbrauchern identifiziert, um so die zu den Bewertungskriterien gemachten Äußerungen in einen umfassenden Wirkungszusammenhang einordnen zu können. Die Ergebnisse der Untersuchung lassen sich in folgenden Punkten zusammenfassen: 1. Die Standardisierung von Videosequenzen aus belegten Ställen stößt an Grenzen. Je nachdem wie sich zum Beispiel die Tiere bewegen, beeinflusst dies die Wahrnehmung der Beobachter. 2. Die Wahrnehmung von Tierhaltungsverfahren ist in erheblichem Maße von der Art der Darstellung abhängig und wird z.B durch die Kameraführung, die Besatzdichte der Ställe oder den Lichteinfall beeinflusst. Selbst bei erfolgreicher Standardisierung bleibt zu berücksichtigen, dass die Art der Standardisierung (ob zum Beispiel die Tiere von unten oder von oben gefilmt werden) Einfluss auf die Wirkung der Haltungsverfahren hat. 3. Hinsichtlich der für die Verbraucher relevanten Bewertungskriterien zum Thema Tierwohl führen beide methodischen Heransgehensweisen zu vergleichbaren Ergebnissen. Die Verbraucher betonen im Sinne des Tierwohls vorrangig folgende Kriterien: - Platzangebot: Ein höheres Platzangebot für Schweine im Stall ist aus Sicht der Verbraucher das entscheidende Kriterium, da es verschiedene und eindeutige Vorteile für die Tiere bietet. Sie beziehen das auf alle wesentlichen Dimensionen des Tierverhaltens. Letztlich wird das sogar in der Fleischqualität deutlich. - Bodenbeschaffenheit: Die Beschaffenheit bzw. das Material des Bodens, der den Tieren als Lauf- und Liegefläche dient ist ebenfalls von zentraler Bedeutung. Die Spaltenböden stoßen bei den Verbrauchern auf Ablehnung. Die Stroheinstreu verbinden sie mit Idylle und Bauernhofatmosphäre. - Lichtverhältnisse: Die Lichtverhältnisse in den Ställen fallen den Verbrauchern auf. Sie bevorzugen Hellikeit, natürliches Tageslicht und einen natürlichen Rhythmus. - Auslauf: Haltungsverfahren, bei denen die Tiere Zugang zu frischer Luft und zusätzlich mehr Bewegungsfreiheit haben, entsprechen eindeutig den Idealvorstellungen der Verbraucher. Bei Auslauf- und Freilandhaltung werden natürliche Verhaltensweisen, wie das Suhlen und Wühlen gefördert. - Beschäftigungsmaterial: Die Möglichkeit für die Schweine, sich zu beschäftigen und ihrem natürlichen Spiel- und Erkundungstrieb nachzugehen, wird als ein wichtiges Kriterium zur Bewertung des Tierwohls betrachtet. Natürliche Materialien werden bevorzugt. In Bezug auf das angebotene Beschäftigungs- und Spielmaterial bleibt ein eher ungutes Gefühl zurück, da die scheinbare Notwendigkeit an sich als Defizit betrachtet wird. - Sauberkeit & Hygiene: Die Verbraucher zeigen bezogen auf dieses Kriterium wenig Kritik. In ihrer Einstellung gegenüber der Sauberkeit und Verschmutzung sind sie eher ambivalent, da sie nicht abschätzen können, wieviel Sauberkeit und Hygiene ein Schwein letztlich benötigt und ob ein gewisses Maß an Dreck auch förderlich für das Wohlbefinden ist. - Umweltbedingungen: Insgesamt wird deutlich, dass die Verbraucher sich mit den Umweltbedingungen der Tiere auseinandersetzen und Wert darauf legen, dass für die Tiere keine Belastungen durch Stallklima, Geruch und Geräusche entstehen. Technische Einrichtungsgegenstände scheinen für die Verbraucher insgesamt erklärungsbedürftig zu sein. Allein vom Bildmaterial her sind Stalleinrichtungsgegenstände kein Kriterium zur Bewertung der Ställe. 4. Eine konsistente Gesamtbewertung der Schweinehaltungen auf Basis der oben genannten Kriterien bleibt in Detailfragen unsicher. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Maßstab dafür fehlt, wann die Kriterien ausreichend erfüllt sind (Wie viel Platz braucht ein Schwein wirklich? Bedeuten verschmutzte Schweine, dass diese sich suhlen konnten, oder bedeuten sie mangelhafte Hygiene?). Es fehlt mithin Wissen und Kenntnis darüber, bei welcher genauen Ausprägung des von Verbrauchern für wichtig erachteten Kriterteriums ein Haltungssystem als tiergerecht angesehen werden kann oder nicht. Trotz der Unsicherheiten bezüglich der Ausprägung bleibt die Bedeutung zentraler Bewertungskriterien an sich bestehen. 5. Die Grenzen der Gültigkeit der eigenen Kriterien für Tierwohl werden wahrgenommen. So wird der enge Zusammenhang zwischen den Kriterien und dem Tierwohl vereinzelt in Frage gestellt, wenn z.B. Stroheinstreu einerseits als besonders artgerecht empfunden wird andererseits aber durch Staubbelastung das Wohlbefinden beeinträchtigt oder an heißen Tagen keine Möglichkeiten zur Kühlung bietet. Vor allem in den Gruppendiskussionen mit Beteiligung von Landwirten wurde deutlich, dass Verbraucher Argumenten der Landwirte aufgeschlossen gegenüber stehen. Die ursprünglichen Bewertungskriterien der Verbraucher werden aufgrund unterschiedlicher Wissens- und Kenntnisniveaus gegenüber den Landwirten zumindest vordergründig und kurzfristig während des Diskussionsverlaufs von den Verbrauchern selbst in Frage gestellt. In diesem Zusammenhang konnte auch ein Bewusstsein dafür festgestellt werden, dass die Ableitung der Kriterien für das Tierwohl aus einer anthropogenen Sicht erfolgt und damit verzerrt sein kann und nicht unbedingt art- und tiergerecht ist. 6. Das Interesse der Verbraucher besteht nicht darin, die Standards für Tierwohl übermäßig zu erhöhen und erschöpft sich nicht in einer pathozentrischen Wertehaltung. Bei der in den Diskussionen provozierten Auseinandersetzung mit dem Thema Tierwohl werden verschiedene Wertekonflikte mit eher anthropozentrischen Wertvorstellungen deutlich. Dazu gehören beispielsweise die Kosten für Tierwohl und die eigene Zahlungsbereitschaft. Darüber hinaus werden auch Konflikte gesehen zwischen Tierwohl auf der eine Seite und z.B Arbeitsbelastung für den Landwirt sowie dessen Möglichkeiten zur Erzielung von Einkommen anderseits. 7. Eine vereindeutigende Rahmung für die Wahrnehmung und Bewertung der Videos verringert die Verunsicherung. Wenn eine vereindeutigende Rahmung wie etwa durch Erläuterungen von Experten fehlt, fühlen sich die Gruppenteilnehmer verunsichert. Ein bewährtes und im Alltag gelernte Schema, nämlich die in den Medien inszenierte Aufteilung in „gute“ und „böse“ Akteure, lässt sich auf die unkommentierten Videosequenzen aus den Ställen nicht einfach anwenden. 8. Die Beschäftigung mit Kriterien zum Tierwohl kollidiert mit dem Wunsch nach unbeschwertem Fleischgenuss. Irritationen und Dissonanzen entstehen dadurch, dass Verbrauchern Tierwohl einerseits wichtig ist, dass sie aber andererseits auch wissen, dass sie sich nicht entsprechend verhalten. Die Reduzierung der Dissonanz erfolgt im Alltag oft durch einen Spaltungsmechanismus, der dazu führt, dass immer eine Seite des Konflikts (Tierwohl versus Kauf und Essverhalten) ausgeblendet bleibt. In den Diskussionen wird diese Auseinandersetzung jedoch provoziert und die Spaltung aufgehoben. Äußerungen der Verbraucher zum Tierwohl sind deshalb auch als Versuch der Dissonanzreduktion einzuordnen. 9. Die Kenntnis der Bestimmungsfaktoren für die Akzeptanzbildung bezüglich Tierhaltungsverfahren lassen sich besser analysieren, wenn die verbraucherseitigen Bewertungskriterien nicht isoliert, sondern stets im Kontext einer übergreifenden Wirkungsstruktur und Einbettung in Wertehaltungen betrachtet werden. Die Untersuchungsergebnisse verdeutlichen, dass es keine objektive oder „unverfälschte“ Darstellung von Ställen in Videos gibt. Jede Art der Darstellung führt zu einer Beeinflussung der Wahrnehmung, die nur unter Verwendung von außerwissenschaftlichen Normen und Werten als richtig oder falsch eingeordnet werden kann. Hierbei wird die Wahrnehmung der Ställe ganz wesentlich von der zu Grunde liegenden Wirkungsstruktur bestimmt. Mit der Kenntnis der Wirkungsstruktur lässt sich somit auch die Wahrnehmung gezielt steuern. Der Steuerung der Wahrnehmung sind allerdings Grenzen gesetzt. Diese Grenzen ergeben sich schon daraus, dass unterschiedliche Interessensgruppen wie z.B. Tierschutzorga-nisationen und die landwirtschaftliche berufsständische Vertretung mit ihrer Kommunikation im Wettbewerb um die Wahrnehmung der Verbraucher stehen. Deshalb ist die Akzeptanz von Tierhaltungsverfahren umso leichter herzustellen, je besser die verbraucherseitigen Kriterien erfüllt sind. Neben der Steuerung der Wahrnehmung über Kommunikation kann deshalb Akzeptanz von Tierhaltungsverfahren auch über eine Anpassung der Haltungsverfahren an verbraucherseitige Kriterien erreicht werden. Nur am Rande wurde in dieser Untersuchung der Gegensatz zwischen der in Umfragen geäußerten Bedeutung des Tierwohls für die Kaufentscheidung der Verbraucher und dem tatsächlichen Verhalten thematisiert. Aus den Ergebnissen lässt sich allerdings dennoch die Schlussfolgerung ableiten, dass der Aufwand für die psychologische Spaltung zur Reduzierung des verbraucherseitigen Wertekonfliktes zwischen pathozentrischen und anthropozentrischen Normen („Genuss-Moral-Dissonanzen“) umso geringer ist, je höher das Niveau des Tierwohls ist. Zukünftiger Forschungsbedarf ergibt sich vor allem im Bereich der tiefergehenden Analyse für die Bestimmungsfaktoren der Akzeptanzbildung. Hierzu sind Einzelinterviews notwendig, um genauere Beschreibungen durch die Interviewpartner zu erhalten. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Ergebnisse spezifisch für den Bereich der Schweinemast gelten. Die Sauenhaltung sowie die Haltung andere Tierarten konnten mit der Untersuchung nicht abgedeckt werden. Auch spezifische Einzelthemen, die sich als Ergebnis einer produktionstechnisch orientierten Forschung zur Weiterentwicklung von Haltungsverfahren ergeben, sollten Gegenstand zukünftiger Untersuchungen sein.},
url = {https://hdl.handle.net/20.500.11811/1276}
}

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