Schüttauf, Oliver: Mosaische Ordnung und Wettbewerbsgeist der Kulturen in Herders Subversion des politischen Aufklärungsdenkens. - Bonn, 2025. - Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Online-Ausgabe in bonndoc: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5-86212
@phdthesis{handle:20.500.11811/13607,
urn: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5-86212,
doi: https://doi.org/10.48565/bonndoc-695,
author = {{Oliver Schüttauf}},
title = {Mosaische Ordnung und Wettbewerbsgeist der Kulturen in Herders Subversion des politischen Aufklärungsdenkens},
school = {Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn},
year = 2025,
month = oct,

note = {In der politiktheoretischen Herder-Forschung seit den 2000er Jahren ergibt sich ein vielfältiges, mitunter widersprüchliches Bild: Herder wird entweder im Rahmen rezenter Anerkennungsdiskurse in der anglo-amerikanischen Philosophie für einen anschlussfähigen Identitäts- und Subjektbegriff aufgegriffen oder in postkolonialen Untersuchungen als früher Vertreter der Kritik an eurozentristischer, imperialistischer Herrschaftspraxis in Anspruch genommen. In ideologiekritischen Diskursen Kontinentaleuropas wird Herder dagegen regelmäßig auf die Wegbereitung eines originär deutschen Kultur- und Volks-Begriffs verengt. Neuerdings wird Herder in einem soziohistorisch-kontextualisierten Ansatz aber auch als Vertreter eines pluralistisch ausdeutbaren Patriotismus-Konzepts betrachtet. Was diese Forschungsarbeiten trotz aller Unterschiede miteinander verbindet, ist der Umstand, dass sie Herders zahlreiche Untersuchungen zum Alten Testament und zur griechischen Antike nur als vernachlässigungswerte Randbezirke seines heterogenen politischen Denkens betrachten. Die vorliegende Arbeit setzt sich daher zum Ziel, Herder in seiner Mehrfachberufung als Philosoph, Theologe und Kulturkritiker ernst zu nehmen und somit eine enge Verbindung zwischen seinen Schriften zum Alten Testament, zur griechischen Antike und seinen kulturkritischen Untersuchungen herzustellen. Im Rahmen dieser Studie konnte herausgearbeitet werden, dass das von ihm entworfene mosaische Ordnungsideal seine späteren Konzeptionen politischer Herrschaft vorprägt, und zum anderen im Umkehrschluss impliziert, dass ohne das mosaische Ordnungsmodell Herders politisches Denken insgesamt nicht angemessen beurteilt werden kann. Herder identifiziert im Alten Testament mit der mosaischen Ordnung ein Gemeinschaftsverständnis, das durch die Rückgebundenheit an das jüdische Stammeserbe und die Stiftung und Tradierung einer ganzheitlichen religiös-politischen Gesetzgebung hohe Integrationskräfte innerhalb des antiken Judentums entfalten kann. Herders Bibel-Lektüre zielt darauf ab, die Entstehens- und Gelingensbedingungen, aber auch die Stabilitätsgefährdungen der jüdischen Glaubensgemeinschaft als verallgemeinerungsfähiges Anschauungsmaterial politischer Vergemeinschaftungsformen insgesamt zu betrachten. Dies lässt den Schluss zu, dass aus Herders Perspektive jede politische Gemeinschaft nur dann von ihren Mitgliedern dauerhafte legitimatorische Zustimmung gewinnen kann, wenn sie wirksam von einer kulturell gestifteten und regelmäßig bestätigten Gemeinschaftsidee geteilter Überzeugungen gesteuert wird. Herders Untersuchung des antiken Griechenlands kann als realpolitische Reorganisation seines mosaischen Ordnungsideals betrachtet werden, indem Religion, Stiftung und Tradierung als ordnungspolitische Größen um den integrativen Aspekt des Wettbewerbs erweitert werden und somit die antike Poliswelt Griechenlands als kulturföderative Gemeinschaftskonzeption begriffen werden kann. Im Rahmen dieser Untersuchung konnte zudem dargelegt werden, dass Herder den in der antiken griechischen Stadtstaatenwelt diagnostizierten konflikthaft-stabilisierenden Wettbewerbsgedanken auf die Handels- und Hansestädte des europäischen Spätmittelalters anwendet. Während sich in der griechischen Antike die kompetitive Idee auf die Austragung des sportlichen, künstlerischen und philosophischen Wettstreits konzentrierte, wird die konstruktiv-konflikthafte Gewaltenverschränkung zwischen urbaner Aristokratie und Bürgertum in den europäischen Handelsstädten durch das gemeinsame ökonomische Interesse des Handels getragen. Herders politisches Denken lässt sich darüber hinaus als der Versuch verstehen, das geschichtsphilosophische und hermeneutische Forschungsprogramm des rationalistischen Teils des Aufklärungsdenkens zur Auflösung zu bringen, mit dem Ziel, an dessen Stelle eine historisch-kontextualisierte Begründung politischer Herrschaft zu setzen. Abschließend lässt sich feststellen, dass mit der Identifizierung und Systematisierung der in seinen Schriften zum Alten Testament, zur griechischen Antike und zu den europäischen Handelsstädten eingelassenen politischen Ordnungsvorstellungen die interdisziplinäre Forschungsmethode Herders unterstrichen werden soll, um ihn insgesamt als wesentlichen Vertreter – und nicht wie sehr häufig in der Forschung dargestellt – als Gegner der Aufklärungsphilosophie des 18. Jahrhunderts zu konturieren.},
url = {https://hdl.handle.net/20.500.11811/13607}
}

The following license files are associated with this item:

InCopyright