Fritz, Navah E.: Bedingungen und Konsequenzen atypischer Hemisphärendominanz für Sprache bei linksseitiger Epilepsie. - Bonn, 2009. - Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Online-Ausgabe in bonndoc: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5-18224
@phdthesis{handle:20.500.11811/3974,
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author = {{Navah E. Fritz}},
title = {Bedingungen und Konsequenzen atypischer Hemisphärendominanz für Sprache bei linksseitiger Epilepsie},
school = {Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn},
year = 2009,
month = jul,

note = {Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind einerseits die Bedingungen atypischer Sprachdominanz bei linksseitiger Epilepsie sowie andererseits deren Konsequenzen im Bereich der kognitiven Leistungen. In Bezug auf die Konsequenzen handelt es sich um den sogenannten Suppressionseffekt sowie diesbezüglich dynamische Effekte nach einem erfolgreichen epilepsiechirurgischen Eingriff.
Es lagen retrospektive Daten von n = 647 Patienten vor, die sich an der Epileptologie des Universitätsklinikums Bonn im Zeitraum von 1985 bis 2006 im Rahmen der prächirurgischen Epilepsiediagnostik dem intrakarotiden Amobarbitaltest (IAT) zur Sprachdominanzbestimmung sowie einer ausführlichen neuropsychologischen Untersuchung unterzogen hatten. Zusätzlich lagen personenbezogene und klinische Variablen vor. Im Falle eines epilepsiechirurgischen Eingriffs wurde ein Jahr postoperativ die neuropsychologische Diagnostik wiederholt und die Anfallskontrolle bestimmt. Gruppenunterschiede in der Verteilung kategorieller Variablen wurden mittels χ2-Tests und bei ausreichender Gruppengröße mit einer binär-logistischen Regression analysiert. Metrische Variablen wurden je nach Gruppengröße mit Mann-Whitney-U-Tests oder t-Tests (bei Interkorrelation mit einer MANOVA) verglichen.
Die Bedingungen atypischer Sprachdominanz wurden an einer umfangreichen Stichprobe von Patienten mit unilateraler Epilepsie untersucht. Für Patienten mit linkshemisphärischer Epilepsie (n = 366) zeigte sich ein Zusammenhang zwischen einer atypischen Sprachdominanz und einem frühen Beginn der Erkrankung sowie atypischer Händigkeit. Der ebenfalls bedeutsame Einfluss einer längeren Krankheitsdauer, eines ausgedehnt hemisphäriellen Schadens sowie einer AHS oder Reifungsstörungen des Gehirns sind wahrscheinlich vor allem mit dem frühen Beginn konfundiert und klären keine zusätzliche Varianz auf. Zum Vergleich wurde der Zusammenhang zwischen den personenbezogenen und klinischen Variablen und der Sprachdominanz bei rechtshemisphärischer Epilepsie (n = 229) untersucht. Hier wurde ebenfalls deutlich, dass atypische Sprachdominanz und atypische Händigkeit miteinander assoziiert sind. Für die weiteren Variablen zeigten sich entweder keine signifikanten Zusammenhänge oder diese waren am ehesten auf Artefakte bei sehr geringen Zellbesetzungen zurückzuführen.
Unter dem sogenannten Suppressionseffekt wird das Phänomen verstanden, dass eine interhemisphärische Reorganisation von Sprachfunktionen eine Leistungsverschlechterung im Figuralgedächtnis und in visuell-räumlichen Leistungen zur Folge hat. Bei linksseitiger Epilepsie und atypischer Sprachdominanz (n = 154) zeigt sich ein Suppressionseffekt bei Patienten mit einem frühen Beginn der Erkrankung. Er bildet sich in schlechteren Leistungen im Figuralgedächtnis, in Aufmerksamkeitsprozessen und visuell-räumlichen Leistungen ab. Der Suppressionseffekt zeigt sich außerdem im Figuralgedächtnis unabhängig davon, ob es sich um eine temporale oder extratemporale Epilepsie handelt. Zusammengenommen verweisen die Ergebnisse darauf, dass es sich beim Suppressionseffekt nicht um die Unterdrückung von einzelnen Funktionen handelt, die von einer Läsion im homologen Areal der linken Hemisphäre gestört werden. Vielmehr deuten die Ergebnisse daraufhin, dass die Informationsverarbeitung der rechten Hemisphäre eher insgesamt beeinträchtigt ist.
Die atypische Sprachdominanz hängt unter anderem von der epileptischen Aktivität in der linken Hemisphäre ab. Nach einer erfolgreichen Unterbindung durch einen epilepsiechirurgischen Eingriff fällt dieser Motor der interhemisphärischen Reorganisation weg. Es stellt sich folglich die Frage nach einer Veränderung der atypischen Sprachdominanz und des Suppressionseffektes. Bei Patienten mit einem Suppressionseffekt (bei atypischer Sprachdominanz und frühem Erkrankungsbeginn) konnte nach linksseitigem epilepsiechirurgischem Eingriff (n = 31) eine postoperative Abnahme des Suppressionseffektes nur bei postoperativer Anfallskontrolle und eher bei bilateraler als bei komplett rechtsdominanter Sprache beobachtet werden. Möglicherweise handelt es sich eher um Frauen als um Männer. Die Verbesserung der figuralen Gedächtnisleistung spiegelt wahrscheinlich keine allgemeine Erholung kognitiver Funktionen wider, denn im Verbalgedächtnis zeigten diese Patienten keine verbesserten Leistungen. Ob sich die Abnahme des Suppressionseffektes im Sinne einer Entlastung der rechten Hemisphäre als Indikator für einen postoperativen Re-Shift der Sprachdominanz eignet, kann nicht abschließend beurteilt werden. Die vorliegenden Ergebnisse sind mit dieser Annahme vereinbar, jedoch kann das Profil kognitiver Leistungen keinen sicheren Hinweis auf die Lateralisierung der Sprachdominanz erbringen.},

url = {https://hdl.handle.net/20.500.11811/3974}
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