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Über die Funktionsweise prätribosphenischer und tribosphenischer Gebisse

dc.contributor.advisorMartin, Thomas
dc.contributor.authorSchwermann, Achim H.
dc.date.accessioned2020-04-21T06:30:58Z
dc.date.available2020-04-21T06:30:58Z
dc.date.issued10.06.2015
dc.identifier.urihttps://hdl.handle.net/20.500.11811/6479
dc.description.abstractIn der mesozoischen Evolution der Säugetiere gilt die Entwicklung des tribosphenischen Molaren als ein Schlüssel zur Erschließung pflanzlicher Nahrungsressourcen. Während sich die Funktion des prätribosphenischen Molaren auf interdentales Scherschneiden beschränkt, erhält der tribosphenische Molar durch den neomorphen Protocon im oberen Molaren und das beckenartig geformte Talonid im unteren zusätzlich eine quetschende, komprimierende Funktion. Daher wird dem tribosphenischen Molaren allgemein eine höhere Effizienz zugesprochen als dem prätribosphenischen. In der Rezentfauna ist der prätribosphenische Molar nicht mehr vorhanden. Nach funktionalen Kriterien kommen ihm die zalambdodonten Molaren der Tenrecidae am nächsten. Die Molaren der untersuchten Arten der Tenrecidae werden in drei Gruppen unterteilt: Sie ähneln entweder dem tribosphenischen oder dem prätribosphenischen Zustand, oder weisen eine Vereinfachung auf, die über den prätribosphenischen Zustand hinausgeht. Bis auf die erste Gruppe, zu der nur Potamogale gerechnet wird, funktionieren diese Molarengebisse durch interdentales Ineinandergreifen von oberen und unteren Molaren. Dies gilt auch für die prätribosphenischen Molaren. Unterschiede bestehen dabei teilweise in der Führung des Kauschlages.
Bei Nanolestes drescherae handelt es sich um einen prätribosphenisch bezahnten Vertreter der Stammlinie der Zatheria aus dem Oberjura. Das Abkaumuster offenbart deutliche Usuren, die auf Zahn-Zahn-Kontakte zurückzuführen sind. Es handelt sich dabei jedoch hauptsächlich um Dentinfreilegungen, während Schmelzfacetten kaum ausgeprägt sind. In Letzterem besteht ein Unterschied zur früheren Analyse von Dryolestidenmolaren und zu Amphibetulimus krasnolutskii, einem weiteren untersuchten Vertreter der Stammlinie der Zatheria aus dem Mitteljura. Für N. drescherae belegen die Usuren und die Form der Parastylarrinne und des Hypoflexids eine transversale und aufwärts gerichtete Bewegung des Unterkiefers. Es besteht dabei eine Führung durch zwei Höcker-Rinnen-Systeme: das Protoconid fährt durch die Parastylarrinne, das Hypoflexid wird entlang des Paracons geführt. Der erste Zahn-Zahn-Kontakt erfolgt dabei zwischen der Spitze des Protoconids und der Parastylarrinne. Der Schluss der potentiellen scherschneidenden Kanten, den Außenkanten des primären Trigons im oberen Molaren und des Trigonids im unteren Molaren, erfolgt danach. In gleichbleibender Bewegung wird der Unterkiefer weiter nach aufwärts und lingual bewegt. Für N. drescherae ergibt sich das Bild eines Insektenfressers, bei dem das attritive Scherschneiden eine untergeordnete Rolle bei der Nahrungsaufbereitung gespielt hat. Es wird eine Nahrungspräferenz von zähen, weichen Arthropoden angenommen. Diese werden während des Kieferschlusses durch die spitzen Höcker fixiert und im weiteren Kieferschluss zwischen den oberen und unteren Molaren gedehnt.
Mit der Entwicklung der Zatheria und schließlich der Tribosphenida ändert sich die Führung des Kauschlages. Er wird nicht mehr durch das Ineinandergreifen von Protoconid und Parastylarrinne, bzw. Paracon und Hypoflexid bestimmt, sondern durch die Interaktion von Protocon und Talonid. Die Bedeutung des einspitzigen Talonids, genauer des Hypoflexids, als Führungsstruktur wird damit deutlich verringert. Mit der Entwicklung des tribosphenischen Molaren wird das Talonid dreihöckerig und bildet eine beckenartig geformte Struktur. In diese greift der neomorphe Protocon ein und kann so eine quetschende, komprimierende Funktion ausüben. Die hier zusammengefasste Differenzierung der Molarenfunktion von einem rein scherschneidenden zu einem scherschneidenden und quetschenden, komprimierenden Potential ist bereits mehrfach diskutiert worden. Nanolestes wird nach funktionalen Kriterien zu den wenig abgeleiteten Stammlinienvertretern der Zatheria gestellt, die sich durch ihr einspitziges Talonid und die einfache, dreieckige Grundform des oberen Molaren auszeichnen.
Das Potential des tribosphenischen Molaren zur Erschließung unterschiedlicher Nahrungsquellen wird hier an drei Opossumarten gezeigt. Obwohl die Molaren sich nur wenig unterscheiden, hat Didelphis eine omnivore Lebensweise, ist Monodelphis insektivor-carnivor und Caluromys frugivor. Es zeigt sich, dass bei breiterem Nahrungsspektrum diversere Zahnusuren auftreten. Je nach Differenzierung der Schmelzdicke der Zahnkrone und Einsatz der Molaren können sich, wie bei Monodelphis, durch Abnutzung potentiell scherschneidende Schmelzkanten herausbilden. Abrasiv ausgekolkte Dentinareale belegen regelmäßige Kompression von Nahrung, wie sie beispielsweise bei Caluromys auftritt. Mit leichter Variation der tribosphenischen Molarenform können also unterschiedliche Nahrungspräferenzen entstehen.
Unter der Hypothese, dass tribosphenische Molaren effizienter sind als prätribosphenische, wurden vergleichende Fütterungsversuche durchgeführt. Als tribosphenisch bezahnte Vertreter wurden Monodelphis und Tupaia verwendet. Als Analogon zum prätribosphenischen Molaren wurde Setifer genutzt. Obwohl Setifer zu der Gruppe der Tenrecidae gehört, deren Molaren stärker vereinfacht sind als die prätribosphenischen, wurde diese Art aufgrund der Verfügbarkeit herangezogen. Die Versuche haben gezeigt, dass die tribosphenisch bezahnten Taxa die verfütterten Mehlwürmer im Schnitt stärker zerkleinert haben als Setifer. Dies wird in der Regel mit einer besseren Nahrungsaufnahme gleichgesetzt. Die beobachteten Ergebnisse zeigen jedoch auch, dass bei ähnlichem Molarengebiss interspezifische, altersbedingte und sogar individuell unterschiedlich starke Zerkleinerung der Nahrung erfolgen kann.
Im Vergleich hat der tribosphenische Molar ein höheres Anwendungspotential und kann eine wirkungsvollere Zerkleinerung der Nahrung bewirken als prätribosphenische, bzw. zalambdodonte Molaren.
dc.description.abstractThe origin of the tribosphenic molar is treated as an evolutionary key innovation of mammals in the Mesozoic, allowing the exploitation of vegetation as a food resource. While the function of the praetribosphenic molar is limited to an interdental shear-cutting, the tribosphenic molar develops an additional crushing and compressing function through the evolution of the neomorphic protocone and a basin-like talonid. This led to the assumption that the tribosphenic molar is generally more efficient than the praetribosphenic one. The praetribosphenic molar is no longer present in modern mammals. From a functional perspective, the zalambdodont molars of the Tenrecidae are the most similar Recent teeth.
The level of zalambdodonty and praetribospheny in the molars of the investigated Tenrecidae was specified by defining three functional groups: one is similar to the tribosphenic habit, one to the praetribosphenic and the third is simpler than the praetribospenic molar. Except for the first group, which includes only Potamogale, the Tenrecidae molar dentition functions through an interdental locking of the upper and lower molars. This is also the case in praetribosphenic molars. Differences are partially caused by the guiding of jaw movement in the mastication cycle.
Nanolestes drescherae is an Upper Jurassic representative of the stem-linage of Zatheria with a praetribosphenic dentition. The wear pattern includes definitive evidence of tooth-tooth-contact. It is dominated by areas of exposed dentine, whereas facets in the enamel are weakly developed. This wear pattern differs from previous analyses of dryolestid molars, and from the upper molar of Amphibetulimus krasnolutskii, another Middle Jurassic representative of stem-Zatheria, by missing of facets in the enamel. For N. dreascherae, the wear pattern and form of both the hypoflexid and the parastylar groove indicate a transverse and upward direction of lower jaw movement. This movement is guided by two cusp-groove systems: the protoconid slides through the parastylar groove, the hypoflexid is guided along the paracone. The first tooth-tooth-contact takes place at the tip of the protoconid and the parastylar groove. Subsequently the potential shear-cutting edges, the outer edges of the primary trigon and the trigonid, close. The lower jaw is moved further upwards and lingually in a continuous motion. N. drescherae is reconstructed as an insectivorous species with limited attritive shear-cutting during the processing of food. A preference for tough and weak arthropods is expected, which were fixed by acute cusps and stretched between the upper and lower molars by the subsequent jaw motion.
The manner in which the upper molar cusps guide the motion of the lower molars changes within the Zatheria and Tribosphenida. It is no longer dominated by the guiding function of the parastylar groove on the protoconid and the hypoflexid on the paracone. Instead the interaction of the protocone and the talonid is crucial. The importance of the one-cusped talonid, respectvely of the hypoflexid, which acts as a guiding structure, thus decreases. During the course of its evolution, the talonid of the tribosphenic molar develops a three-cusped and a basin-like form. The neomorphic protocone performs a crushing and compressing action in an interaction with the talonid basin. This differentiation of the molars from a pure shear-cutting to a shear-cutting, crushing and compressing function has been discussed many times. Based on functional characters, Nanolestes appears to be a less derived representative of the stem-Zatheria, possessing upper molars with a simple, triangular outline.
The capacity of the tribosphenic molar to make different food resources accessible is demonstrated by three opossum species. Although their molars differ only slightly, Didelphis has an omnivorous lifestyle, Monodelphis an insectivorous-carnivorous and Caluromys a frugivorous one. The wear pattern offers, that an omnivorous lifestyle is connected with a wide range of wear. Depending on the differentiation of enamel thickness and usage of the molars, wear can produce potential shear-cutting edges, as seen in Monodelphis. Abrasive washed out areas of exposed dentine were observed in Caluromys, indicating a regular amount of compression. This shows that slight variations in the tribosphenic molar enable different dietary preferences.
Comparative feeding experiments were performed to test the hypotheses that tribosphenic molars are more efficient than praetribosphenic ones. Monodelphis and Tupaia were chosen to represent animals with tribosphenic molars. Setifer was used as an analogue to the praetribosphenic molar; although it belongs to the group of Tenrecidae with very simplified molars it was used for this experiment due to its availability. The experiments have shown that taxa with tribosphenic molars breakup mealworms in smaller pieces than Setifer. Normally this is connected with a better ingestion. Furthermore the experiments uncovered interspecific and age-dependent differences in the breakup of mealworms, as well as other individual differences, despite very similar molar dentitions.
The tribosphenic molar has a higher potential range of use and can perform a better breakup of food particles in comparison to praetribosphenic, respectively zalambdodont molars.
dc.language.isodeu
dc.rightsIn Copyright
dc.rights.urihttp://rightsstatements.org/vocab/InC/1.0/
dc.subjectMammalia
dc.subjecttribosphenischer Molar
dc.subjectMesozoikum
dc.subject.ddc560 Paläontologie
dc.titleÜber die Funktionsweise prätribosphenischer und tribosphenischer Gebisse
dc.typeDissertation oder Habilitation
dc.publisher.nameUniversitäts- und Landesbibliothek Bonn
dc.publisher.locationBonn
dc.rights.accessRightsopenAccess
dc.identifier.urnhttps://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5n-40271
ulbbn.pubtypeErstveröffentlichung
ulbbnediss.affiliation.nameRheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
ulbbnediss.affiliation.locationBonn
ulbbnediss.thesis.levelDissertation
ulbbnediss.dissID4027
ulbbnediss.date.accepted25.04.2015
ulbbnediss.fakultaetMathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
dc.contributor.coRefereevon Koenigswald, Wighart


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