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Die Relieftypen der Flächenspülzone Süd-Indiens am Ostabfall Dekans gegen Madras
(1965)
Der Ostabfall des Dekan-Hochlands zur Koromandel-Küste im Bereich zwischen
Bangalore und Madras bildet den besonders reinen Beispielfall einer aktiven
Rumpftreppe. Sie besteht im wesentlichen aus zwei großen Flächen, nur im
Norden des Arbeitsgebietes schaltete sich noch eine dritte Fläche als Zwischenform
ein.
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Die tiefere dieser beiden Flächen: die Tamilnad-Fläche, schließt breit an die
Küste an und reicht von dort im Mittel 100 km, in Ausläufern bis 200 km landeinwärts.
Sie steigt dabei bis 200 bzw. bis über 500 m empor. Dann erfolgt eine
Steilstufe von einigen 100 m Höhe, die zur höheren Fläche von Bangalore
(750-900 m) emporführt. Diese wird ihrerseits noch von Inselbergen überragt,
von denen die höchsten fast 1 500 m erreichen. Diese treten aber weniger in der
Mitte als an den Rändern der Bangalore-Fläche auf (vgl. Abb. 5). Den Bereich
des Stufenabfalls zwischen den beiden großen Flächen nehmen zwei weitere
Relieftypen ein. Unmittelbar an den scharfen Oberrand der tieferen Tamilnad-
Fläche schließt sich zunächst ein „ Tropisches Gebiergsrelief" mit schmalen, im
Längsprofil stark gestuften echten Erosionstälern an. Oberhalb dieser stark zertalten
Randzone folgt bis zum Unterrand der höheren Bangalore-Fläche ein
„Tropisches Rückenrelief". Die flachen Muldentäler - „Spültäler" -, die es
erzeugen, verdanken nicht der Flußerosion, sondern einer linienhaften Konzentration des Doppelvorgangs der Tiefenverwitterung und der oberflächlichen
Abspülung ihre Entstehung. Wir bezeichnen diesen Vorganskomplex als „Linienspülung".
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Die funktionale Erklärung dieser vier Beispielfälle der Reliefbildung. im Bereich der wechselfeuchten Tropen wird hier besonders dadurch erleichtert, daß
das ganze betreffende Gebiet einheitlich aus Granit besteht, der nur sehr kleine
Bereiche sedimentärer Schuppen einschließt und von wenigen Doleritgängen
durchschlagen wird. Die Einflüsse des Klimas und der Epirovarianz treten daher
um so klarer hervor.
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Die Tamilnad-Fläche ist das Muster einer in aktiver Ausbildung begriffenen
Rumpffläche. Ihr Gefälle im ganzen beträgt nur 2 %0 = 0,6°, das Gefälle
des auf ihr ausgebildeten hydrographischen Netzes im einzelnen, d. h. zwischen
den „Spülscheiden" und „Spülmulden", in denen hier das Wasser abrinnt,
beträgt im Mittel auch nur 10 %0, im Extrem 20-30 %0 (= 1,2-1,7°). Nur
im unmittelbaren Vorfeld der oberen Randstufe der Fläche oder aufsitzender
hoher Inselberge ( ,,Auslieger-Inselberge") kann ganz lokal und weitab von den
Flüssen das Gefälle dieser Flächen auf 3,5-4° ansteigen. Wir nennen diese
stets nur wenige hundert Meter breiten steileren Saumteile der Fläche vor ihrem
scharfen Oberrandknick (am Fuß von Inselbergen oder ihrer oberen Randstufe)
„Spülpedimente".
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Die Bildung der Tamilnad-Fläche erfolgte und erfolgt fortlaufend durch den
„Mechanismus der doppelten Einebnungsflächen". Eine
mächtige Rotlehmdecke von im Mittel 4-10 m Dicke überzieht die ganze
Fläche. Sie ist das Produkt einer allenthalben rasch in die Tiefe greifenden
chemischen Verwitterung. Durch sie entsteht über dem anstehenden Granit an
der Basis dieser Rotlehmdecke die „Verwitterungs-Basisfläche". An den Klüften
des Granit greift die Verwitterung rascher in die Tiefe. Dazwischen bleiben
„Grundhöcker" stehen. So erhält die Verwitterungs-Basisfläche im einzelnen ein
unebenes Relief. Wo harte Granitschlieren ausstreichen oder die Klüfte weit
auseinandertreten, können die Grundhöcker als „Schildinselberge" über die
Bodenoberfläche aufragen.
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Das ganze Rotlehmprofil ist auf diesen Flächen ohne Bewegung, ohne
Abtragungsvorgänge: es ist allein ein Produkt der raschen chemischen Verwitterung
an Ort und Stelle. Die Abtragung findet nur auf der Oberfläche der Rotlehmdecke,
der „Spülfläche" statt. Sie erfolgt während der Regenzeit ruckweise
(quantenhaft) in gleichmäßig über die ganze Fläche verbreiteten kleinen Spül-
Rinnsalen. Diese fließen zu größeren Bächen und endlich zu Flüssen zusammen.
Aber die kleinsten Rinnsale wie die großen Flüsse transportieren nur Material
derselben Korngröße, das die Verwitterung bereitstellte. Es ist einerseits kaolinreicher
Ton und andererseits Feinsand von 50-200 μ. Auch die größeren
Flüsse, die in den hyperflachen Spülmulden fließen, vermögen kein gröberes
Material durch eigene Erosionsarbeit aus dem Untergrund aufzunehmen: sie
erodieren nicht, sondern sind nur passiv in den allgemein oberflächlichen Abspülvorgang einbezogen, der diese ganzen Flächen beherrscht
und ausbildet.
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Im einzelnen wird in den Abschnitten VII-X nachgewiesen, daß diese
Flüsse sowohl zur Tiefenerosion wie zur Seitenerosion und zur rückschreitenden
Erosion unfähig sind. Die Spülmulden, in denen sie fließen, sind keine
morphologischen, sondern nur hydrologische Einheiten. An ihren Rändern fehlen
alle morphologischen Arbeitskanten.
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Eine morphologische Einheit, begrenzt durch scharfe Arbeitskanten
an ihrem Oberrand und am Fuß jedes großen „Auslieger" -Inselberges,
ist nur die Fläche als Ganzes! Sie dehnt sich an diesen Arbeitskanten
ständig weiter aus. Dies geschieht hier durch den Prozeß der „</em>subkutanen
Seiten-Denudation</em>". Er ist eine verstärkte Form des allgemein auf
diesen Flächen herrschenden Mechanismus der doppelten Einebnungsflächen.
Die Verstärkung kommt dadurch zustande, daß die zur Regenzeit fallende Wassermenge
an dieser Kante durch das Wasser verstärkt wird, das von den steilen,
oft felsigen Hängen der Inselberge oder der oberhalb anschließenden Randstufe
abrinnt. So zieht sich am Fuß solcher Hänge eine Zone besonders starker Durchfeuchtung
der Rotlehmdecke und besonders starker Tiefenverwitterung hin
(Abb. 2 und Bild 2). Sie kann solche Hänge geradezu unterhöhlen und hält sie
damit steil. Jede aktive Rumpffläche dehnt sich so an dieser Arbeitskante (SBAkk,
Abb. 2) ständig auf Kosten des höheren Geländes aus....