Neuerburg, Charis Rosanna: Von Unterforderung bis Parentifizierung : Entwicklung und Validierung eines Fragebogens zur Aufgabenübernahme im Kindes- und Jugendalter. - Bonn, 2024. - Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Online-Ausgabe in bonndoc: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5-77393
@phdthesis{handle:20.500.11811/11754,
urn: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5-77393,
doi: https://doi.org/10.48565/bonndoc-338,
author = {{Charis Rosanna Neuerburg}},
title = {Von Unterforderung bis Parentifizierung : Entwicklung und Validierung eines Fragebogens zur Aufgabenübernahme im Kindes- und Jugendalter},
school = {Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn},
year = 2024,
month = jul,

note = {Für viele familienrechtspsychologisch relevante Konstrukte existieren bislang keine geeigneten Testverfahren oder Fragebögen. In der vorliegenden Dissertation wurde daher ein standardisierter Fragebogen entwickelt, welcher langfristig zur Lösung dieses Problems beitragen soll. Im Rahmen einer Bedarfsanalyse wurde durch die Befragung von N = 36 Sachverständigen zunächst ermittelt, dass vor allem ein Fragebogenverfahren zur Erfassung von Parentifizierung erwünscht ist, einer Form der Rollenumkehr zwischen Eltern und Kind, bei der das betroffene Kind die Erfüllung eigener Bedürfnisse zu Gunsten der Erfüllung elterlicher Bedürfnisse vernachlässigt (Chase, 1999b). In insgesamt einem Pretest sowie drei weiteren Studien wurde anschließend ein standardisierter, deutschsprachiger Fragebogen zum Thema der Aufgabenübernahme entwickelt, der die Erfassung von unkritischen bis potenziell schädlichen Ausprägungen (Parentifizierung) der Aufgabenübernahme ermöglicht. Neben der psychometrischen Qualität wurde untersucht, inwiefern die Fragebogenskalen Zusammenhänge mit Kriterien aufweisen, auf die sich Parentifizierung laut bisheriger Forschung potenziell auswirken soll, nämlich vor allem dem psychischen Wohlbefinden (Studie 1-3), aber auch der Leistungsfähigkeit (Studie 2), und inwiefern sich Unterschiede in der Berufswahl und -motivation (Studie 2) oder dem Bindungsstil (Studie 3) ergeben. Der finale Fragebogen differenziert zwischen den Subtypen der instrumentellen Aufgabenübernahme (Verrichten von Haushaltstätigkeiten) und der emotionalen Aufgabenübernahme (Erfüllen emotionaler Bedürfnisse der Eltern) und verfügt über weitere Skalen zu den Themen: Pflege Angehöriger, Geschwisterbetreuung, elternbezogene Verantwortungsübernahme (Übernahme organisatorischer und planender Tätigkeiten / Zuteilung von Verantwortlichkeiten in der Familie) und wahrgenommene Fairness (also inwiefern eine Wertschätzung der Aufgabenübernahme oder eine reziproke Unterstützung innerhalb der Familie vorliegt, Jurkovic, 1997).
Im Pretest mit Kindern und Jugendlichen aus Trennungsfamilien (N = 25) wurde zunächst die Verständlichkeit und Anwendbarkeit der Items sichergestellt. In Studie 1 wurde der Fragebogen als Selbst- und Fremdbeurteilungsversion in einer unbelasteten Stichprobe von N = 384 Kindern und Jugendlichen im Alter von 8 bis 17 Jahren sowie bei N = 221 ihrer Elternteile eingesetzt, weitere unabhängige N = 97 Elternteile nahmen in einer parallelen Onlinestudie teil. Die Selbst- und Fremdbeurteilung korrelierte gering bis moderat (ρ = .30 für die instrumentelle und ρ = .23 für die emotionale Aufgabenübernahme, ρ = .14 für die wahrgenommene Fairness), des Weiteren zeigten sich im Selbsturteil ein negativer Zusammenhang zwischen der emotionalen Aufgabenübernahme und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität sowie im Selbst- und Fremdurteil ein positiver Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Fairness und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Im Selbsturteil moderierte außerdem die wahrgenommene Fairness den Zusammenhang zwischen der instrumentellen Aufgabenübernahme und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität.
In zwei weiteren retrospektiven Studien wurde der Fragebogen in einer studentischen Stichprobe (Studie 2, N = 836) und in einer Stichprobe mit N = 657 Erwachsenen (Studie 3) eingesetzt, wobei letztere vorrangig in der Kindheit oder Jugend eine Belastung erlebt hatten (psychische Störung / Substanzabhängigkeit oder -missbrauch / körperliche Erkrankung / Tod / Pflegebedürftigkeit eines Elternteils oder die Trennung/Scheidung der Eltern). Sowohl in Studie 2 als auch in Studie 3 zeigten sich hinsichtlich aller Kriterien des psychischen Wohlbefindens (der Lebenszufriedenheit, Resilienz, Selbstwirksamkeitserwartung in Studie 2 sowie in Studie 3 zusätzlich der Depressivität und dem Impostor Syndrome) negative Zusammenhänge mit der emotionalen Aufgabenübernahme und positive Zusammenhänge mit der wahrgenommenen Fairness. Die instrumentelle Aufgabenübernahme wies nur in Studie 3 einen signifikanten positiven Zusammenhang mit dem Impostor Syndrome sowie kurvilineare Zusammenhänge mit der Lebenszufriedenheit und der Depressivität auf. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit zeigten sich in Studie 2 zudem ein positiver Zusammenhang zwischen der emotionalen Aufgabenübernahme und der empfundenen Belastung durch Ausbildung/Studium/Beruf sowie ein negativer zwischen der wahrgenommenen Fairness und der empfundenen Belastung (unter Einbezug des aktuellen Work Loads als Kontrollvariable). Hinsichtlich der Berufswahl zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Aufgabenübernahme, wenn das Geschlecht als Kontrollvariable einbezogen wurde, allerdings gab es positive Zusammenhänge von altruistischen Arbeitsmotiven mit einzelnen Skalen. In Studie 3 zeigte sich außerdem, dass Personen, welche von mindestens einer erlebten Belastung in Kindheit oder Jugend berichteten sowie Personen mit einem selbstberichteten unsicheren Bindungsstil im Mittel von einer höheren Aufgabenübernahme berichteten. Eine weitere neu entwickelte Skala, welche erlebte Einschränkungen durch die Aufgabenübernahme erfasst (z. B. hinsichtlich der Freizeitgestaltung oder in der Schule) war ebenfalls positiv mit allen Skalen assoziiert.
Hinsichtlich der psychometrischen Qualität zeigte der Fragebogen eine konsistente Faktorenstruktur zwischen den Studien, bei denen alle Items am höchsten auf den ihnen inhaltlich vorab zugeordneten Faktoren luden. Die internen Konsistenzen lagen zuletzt in Studie 3 bei allen Skalen zwischen α = .88 und α = .96. Insgesamt liefern die Ergebnisse der Studien erste Hinweise auf die Reliabilität und Validität des Fragebogens und stützen die These, dass die emotionale Aufgabenübernahme sich überwiegend schädlich auf die kindliche Entwicklung auswirkt, während die Auswirkungen instrumenteller Aufgabenübernahme stark kontextabhängig sind. Die Bedeutungen dieser Befunde für den familienrechtspsychologischen Kontext werden diskutiert.},

url = {https://hdl.handle.net/20.500.11811/11754}
}

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