Aretz, Stefan: Genetische Untersuchungen zur Aufklärung der Heterogenität adenomatöser Polyposis-Syndrome. - Bonn, 2009. - Habilitation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Online-Ausgabe in bonndoc: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5N-19763
@phdthesis{handle:20.500.11811/3908,
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author = {{Stefan Aretz}},
title = {Genetische Untersuchungen zur Aufklärung der Heterogenität adenomatöser Polyposis-Syndrome},
school = {Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn},
year = 2009,
month = dec,

note = {Ausgehend von der molekulargenetischen Diagnostik und humangenetischen Beratung beschäf¬tigt sich unsere Arbeitsgruppe seit 20 Jahren wissenschaftlich mit gastrointestinalen Polyposis-Syndromen. Die hier beschriebenen und in den Jahren 2003 bis 2009 durchgeführten Untersuchungen haben die genetische und phänotypische Charakterisierung von adenomatösen Polyposis-Syndromen zum Gegenstand. Nach den grundlegenden Arbeiten zu Mutationsspektrum und Genotyp-Phänotyp-Korrelationen der autosomal-dominanten Familiären Adenomatösen Polyposis (FAP) in den 1990er Jahren wurde mit der MUTYH-assoziierten Polyposis (MAP) im Jahre 2002 erstmals eine weitere und autosomal-rezessiv vererbte adenomatöse Polyposis beschrieben, die oft nur molekulargenetisch von der FAP abgegrenzt werden kann.
Die Verfügbarkeit eines der weltweit größten Polyposiskollektive ermöglichte uns die systematische Untersuchung von Fragestellungen, die an kleinen Patientengruppen nicht zu bearbeiten sind. Methodisch kamen einerseits Techniken der Routinediagnostik wie die Sequenzierung, Kopplungsanalyse und das Deletions-Screening mittels MLPA sowie die umfassende Anforderung und Auswertung klinischer Daten zum Einsatz, andererseits wurden bei speziellen Fragen mit SNaPshot-Analyse, Transkriptanalyse und LOH-Untersuchungen auch aufwändigere Verfahren angewendet.
Wir konnten zeigen, dass die hohe Frequenz der 5-Basen-Deletion in Codon 1309 des APC-Gens nicht durch einen „Founder-Effekt“, sondern durch eine erhöhte Mutationsrate in dieser Gensequenz erklärt werden kann. Es gelang uns, das Spektrum von APC-Neumutationen zu beschreiben und erstmals bei der FAP geschlechtsspezifische Unterschiede bezüglich der Art der Neumutation herauszuarbeiten, die in Einklang mit Befunden bei anderen dominanten Erkrankungen und theoretischen Überlegungen stehen.
Durch ein Deletions-Screening bei 170 nicht verwandten FAP-Patienten ohne APC-Punktmutation charakterisierten wir Häufigkeit und Spektrum von großen genomischen APC-Deletionen und beschrieben eine klare Korrelation zwischen dem Vorliegen einer großen Deletion und der Entwicklung einer klassischen FAP.
Im Rahmen eines längerfristig angelegten Projektes gelang uns die funktionelle Charakterisierung der mit Abstand größten publizierten Zahl seltener unklarer APC-Varianten: die bisher insgesamt von uns auf Transkriptebene untersuchten sieben verschiedenen exonischen und acht intronischen Einzelbasen-Substitutionen sowie eine große genomische Duplikation zeigten interessanterweise, dass der Mehrheit seltener Varianten im APC-Gen, die bei Polyposis-Patienten identifiziert werden, offensichtlich pathogene Relevanz zukommt.
Die mittels mehrerer Methoden auf genomischer und cDNA-Ebene erfolgte Charakterisierung eines komplexen APC-Rearrangements in einer FAP-Familie erlaubte Spekulationen über die Entstehung größerer genomischer Umbauten und veranschaulichte, dass sich bestimmte Mutationstypen den Detektionsmethoden der Routinediagnostik entziehen und daher in bisherigen Untersuchungen und Datenbanken vermutlich unterrepräsentiert sind.
Erstmals konnten wir umfassende Daten zu Ausmaß und klinischen Konsequenzen somatischer Mutations-Mosaike im APC-Gen bei Polyposis-Patienten generieren: in einer methodisch aufwändigen Studie demonstrierten wir, dass somatische APC-Mosaike bei Patienten mit einer Neumutation häufig auftreten, beim üblichen Mutations-Screening aber leicht übersehen werden und mit der SNaPshot-Methode gut zu quantifizieren sind. Der ermittelte Mosaikgrad in verschiedenen Geweben ließ sich mit Hypothesen der Mosaikentstehung in Einklang bringen. Somatische APC-Mosaike können einen Teil der Abweichungen von etablierten Genotyp-Phänotyp-Beziehungen bei FAP-Patienten erklären und haben Bedeutung für die adäquate Einschätzung des Umfangs von Früherkennungs-Untersuchungen.
Eine andere Studie beschäftigte sich mit dem FAP-assoziierten Hepatoblastom. Ein APC-Mutationsscreening bei 50 Patienten mit (scheinbar) sporadischem Hepatoblastom ließ vermuten, dass es sich bei einem nennenswerten Teil der Fälle (8-10 %) tatsächlich um die frühe Manifestation einer FAP auf dem Boden einer APC-Neumutation handelt, was Konsequenzen für die klinische Betreuung der Patienten hätte. Im zweiten Teil der Arbeit wurden die Vor- und Nachteile eines frühkindlichen Hepatoblastom-Screenings bei Kindern von FAP-Patienten unter Einbeziehung eigener Daten und von Ergebnissen bei anderen embryonalen Tumorsyndromen umfassend diskutiert.
Ein parallel durchgeführtes Projekt beschäftigt sich mit der MUTYH-assoziierten Polyposis (MAP). Durch die retrospektive molekulargenetische Untersuchung und Auswertung klinischer Befunde von 71 MAP-Patienten konnten wir einen wesentlichen Beitrag zur Beschreibung des Mutationsspektrums und zur Charakterisierung des kolorektalen Phänotyps der MAP leisten. Hierbei zeigte sich insbesondere, dass die MAP praktisch nie der klassischen FAP entspricht, sondern eine atypische oder attenuierte klinische Ausprägung hat.
In einer Kooperation mit zwei europäischen Arbeitsgruppen werteten wir federführend die gemeinsam zusammengetragenen klinischen Daten zum extrakolonischen Tumorspektrum bei 276 MAP-Patienten aus. Hierbei ergab sich neben einer pathophysiologisch interessanten phänotypischen Überlappung zum HNPCC eine signifikant erhöhte Rate extrakolonischer Malignome. Es ließ sich allerdings kein dominierendes extraintestinales Karzinom nachweisen, sodass die bisher empfohlenen Früherkennungs-Untersuchungen für MAP-Patienten nicht spezifisch erweitert werden müssen. Im Rahmen des Kooperationsprojektes beteiligten wird uns außerdem an der Analyse des Heterozygotenrisikos und von Genotyp-Phänotyp-Beziehungen.
Durch die genannten Arbeiten gelang uns eine vertiefende Charakterisierung der FAP und der MAP. Nach wie vor ist allerdings ein nennenswerter Teil der Polyposis-Fälle ätiologisch ungeklärt. Das aktuelle Projekt der genetischen Grundlagenforschung unserer Gruppe hat deshalb insbesondere die Identifizierung weiterer Risikoallele zum Ziel. Hierfür wurde durch die Verfügbarkeit neuer genomweiter Hochdurchsatz-Techniken wie der hochauflösenden SNP-Array-Analyse und dem Next-Generation-Sequencing die methodische Grundlage geschaffen. Bezüglich der MAP sind prospektive Untersuchungen zur altersabhängigen Penetranz kolorektaler Tumoren bei prädiktiv getesteten MAP-Anlageträgern und eine Feststellung der Häufigkeit bialleler MUTYH-Keimbahn-Mutationen bei unselektierten Trägern von Talgdrüsen-Neoplasien geplant.},

url = {https://hdl.handle.net/20.500.11811/3908}
}

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