Darstellungen kultureller Merkmale der Chicano-Kultur in ausgewählten Chicano-Romanen (1972-2005) unter besonderer Berücksichtigung ihres Einflusses auf junge Protagonisten

Abstract

Spätestens seit der Präsidentschaft von Donald Trump treten Chicanos, also mexikanischstämmige Amerikaner, in den Medien vor allem als Immigranten in Erscheinung. Tatsächlich ist die Geschichte der Chicanos in den Vereinigten Staaten von Amerika sehr viel diverser und weitreichender. Mit dem Vertrag von Guadalupe Hidalgo erhielten die USA große Teile mexikanischen Staatsgebiets im heutigen Südwesten der USA. Bewohner dieser Region wurden über Nacht zu Amerikanern. Viele Bestandteile ihrer mexikanischen Kultur bestehen im Kern bis zur Gegenwart. Auch neu eingewanderte Mexikaner bringen ihre Traditionen und kulturellen Axiome mit in die USA. <br /> Die vorliegende Arbeit untersucht die Darstellung wichtigsten Aspekte dieser Chicano-Kultur in den Romanen Bless me, Ultima (Rudolfo Anaya); The Rain God (Arturo Islas); So far from God (Ana Castillo); Esperanza Rising (Pam Muñoz Ryan); Caramelo (Sandra Cisneros) und The Tequila Worm (Viola Canales). Besonderes Augenmerk liegt darüber hinaus auf der Verwendung von jugendlichen Protagonisten und ihrem Aufwachsen zwischen der angloamerikanischen und der mexikanischen Kultur. <br /> Die Analyse liegen die Theorie des Kollektiven Gedächtnisses von Jan und Aleida Assmann, der Kultur als Zeichensystem nach Roland Posner und der Borderlands von Gloria Anzaldúa zugrunde. Aufgrund der streng vorgezeichneten Genderrollen von Chicanos und Chicanas und den daraus erwachsenden Problematiken werden auch der Chicanisma, der Machismo und R.S. Connells Modell der hegemonialen Männlichkeit vorgestellt und auf die Romane angewandt. Da die Chicanos nicht nur zwischen zwei Kulturen, sondern auch Sprachen leben, werden die Konzepte des code-switching, der Diglossie und des Chicano-Englisch in einem eigenen Kapitel vorgestellt, bevor die sechs Romane jeweils in einem einzelnen Kapitel analysiert werden. <br /> Die Betonung des familiären Zusammenhalts, auch unter Einbuße individueller Entwicklung und Privatsphäre ist den Romanen gemein. Darüber hinaus werden immer wieder die mexikanische Küche mit ihren typischen Zutaten und der arbeitsreichen Zubereitung, sowie der mexikanische Katholizismus inklusive seiner Verehrung der Virgen de Guadalupe als Fixpunkte im kulturellen Leben der Chicanos hervorgehoben. Die jugendlichen Chicanos leiden häufig darunter, weder von der angloamerikanischen noch der mexikanischen Gesellschaft akzeptiert zu werden. An ihrem Wohnort in den USA sind sie oftmals Beleidigungen und institutionellem Rassismus ausgesetzt. Ihre Aufgabe ist es, sich in diesem kulturellen Geflecht, in dem sie sich befinden, ihren individuellen Lebensweg zu finden und ihn in Einklang mit ihrer kulturellen Prägung zu bringen. <br /> Im Laufe dieser Arbeit hat sich gezeigt, dass sich aus der angloamerikanischen und der mexikanischen Kultur eine eigenständige Chicano-Kultur gebildet hat. Sie fußt meist auf ähnlichen Grundpfeilern der mexikanischen Kultur – Essen, Gemeinschaftsleben, religiöser Glauben –, doch sie hat sich an die Lebensrealität der Chicanos angepasst. Chicanos müssen so keinen Teil ihrer Persönlichkeit verleugnen. Stattdessen können sie beide Kulturen, die sie tagtäglich beeinflussen, verbinden. Nachdem sie lange unter ihrer vermeintlich minderwertigen Kultur gelitten haben, sind sie nun stolz auf die von ihnen geschaffene Chicano-Kultur.