Goenechea, Lander: Antworten einzelner Neurone im elektrosensorischen Seitenlinienlobus und im Nukleus lateralis von Gnathonemus petersii bei einfachen und komplexen elektrosensorischen Reizen. - Bonn, 2002. - Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Online-Ausgabe in bonndoc: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5n-00093
@phdthesis{handle:20.500.11811/1789,
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school = {Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn},
year = 2002,
note = {Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Antwortcharakteristika von Zellen im elektrosensorischen Seitenlinienlobus (ELL, Rhombencephalon) und im Nukleus lateralis (NL, Mesencephalon) der aufsteigenden, elektrosensorischen Bahn bei verschiedenen elektrischen Reizen zu untersuchen. Dazu wurden 53 Versuche mit dem schwachelektrischen Fisch Gnathonemus petersii durchgeführt. Gnathonemus petersii erzeugt durch die Entladung seines elektrischen Organs, das im Schwanzstiel lokalisiert ist, etwa 400 µs kurze, biphasische, elektrische Pulse (EODs), die ein schwaches elektrisches Feld um den Fisch herum aufbauen. Ein Objekt in diesem Feld verändert die lokalen EOD Eigenschaften und die Spannungsverteilung auf der Fischhaut. Diese Veränderungen werden vom Fisch detektiert (Elektroortung) und lassen Rückschlüsse auf Objekteigenschaften zu (z.B. Widerstand und Entfernung). Durch die pharmakologische Immobilisierung der Fische für die Versuche wurden das elektrische Organ blockiert und die aktive Elektroortung mit dem selbst generierten EOD ausgeschaltet. In der vorliegenden Arbeit wurde das EOD durch künstliche Reize ersetzt, die zeitlich an das EOD-Motorkommandosignal (KomSig) gekoppelt waren, das normalerweise das EOD auslöst. Damit wurde im Versuch aktive Elektroortung wieder möglich. Es wurden zwei elektrische Reizungen verwendet: lokale, wenige Elektrorezeptoren stimulierende Punktreizung und großflächige, EOD simulierende Ganzkörperreizung (Ersatz-EOD). Mit Punktreizung wurden rezeptive Felder lokalisiert und vermessen. Diese Reizung kommt in der Natur jedoch nicht vor, da ein EOD Elektrorezeptoren auf der gesamten Fischhaut reizt. Daher wurden zusätzlich komplexe Reize verwendet, wie eine Ganzkörperreizung ohne und mit zusätzlichen Objekten mit verschiedenen Widerständen. In bisherigen Studien wurden nur Punktreizungen verwendet. In der aktuellen Arbeit werden erstmals die Antwortcharakteristika von Neuronen im ELL und NL bei einer Ganzkörperreizung untersucht.
Im ELL wurden 44 Zellen extrazellulär abgeleitet. Aufgrund der 'Corollary discharge'-Antwort und der Antwort bei Punktreizung im Zentrum der rezeptiven Felder ließen sich die Neurone in I- (55 %) und E-Zellen (45 %) unterteilen. I-Zellen antworteten im Zeitraum der 'Corollary discharge' ohne periphere Reizung mit erhöhter Entladungsrate, während E-Zellen ohne Reizung in diesem Zeitraum keine oder nur sehr wenige APs feuerten. Bei einer Punktreizung reduzierten I-Zellen ihre Entladungsrate, während E-Zellen mit einer Erhöhung der Entladungsrate antworteten. Mit zunehmender Reizamplitude verkürzten sich bei ELL-Neuronen die Latenzen des ersten AP. Dies spiegelte das Antwortverhalten primärer Afferenzen wider. Die rezeptiven Felder von I-Zellen hatten Durchmesser von acht bis zehn mm und bestanden aus einem hemmend wirkenden Zentrum und einem erregend wirkenden Umfeld. Die rezeptiven Felder von E-Zellen waren ähnlich groß (3 bis 7 mm Durchmesser). Aufgrund der geringen Entladungsrate ohne Reizung zeigten E-Zellen bei Stimulation in der Peripherie keine Erniedrigung der Entladungsrate.
Bei einer Ganzkörperreizung antworteten ELL-Zellen ähnlich wie bei einer lokalen Punktreizung, das heißt I-Zellen antworteten mit einer Erniedrigung und E-Zellen mit einer Erhöhung der Entladungsrate. Obwohl bei Ganzkörperreizung sowohl Zentrum als auch Peripherie eines rezeptiven Feldes gereizt werden, waren die Antwortstärken bei Punkt- und Ganzkörperreizung vergleichbar. Das bedeutet, dass bei den meisten ELL-Zellen das Zentrum des rezeptiven Feldes die Antwort dominierte. Es liegt der Schluss nahe, dass ELL-Zellen nur elektrosensorische Eingänge aus den mit Punktreizung ermittelten rezeptiven Feldern verarbeitet.
Dreiundvierzig Prozent der ELL-Neurone zeigten nach dem Ein- oder Ausschalten elektrischer Reize plastisches Verhalten. Die Zellen antworteten für einige Minuten mit veränderter Entladungsrate auf die neue Reizsituation, danach näherte sich die Entladungsrate der Antwort ohne periphere Reizung an. Die in dieser Arbeit gefundene Form der Plastizität bei Ganzkörperreizung ist neuartig und stellt, ähnlich wie die in früheren Studien mit Punktreizung gefundene Plastizität, eine adaptive Anpassung an veränderte elektrische Reizbedingungen dar. Damit wird der Arbeitsbereich des elektrosensorischen Systems an Änderungen in der EOD Amplitude angepasst und somit können neue sensorische Reize, die außerhalb des "normalen" Arbeitsbereichs liegen, besser erkannt werden.
Im NL wurden 47 Neurone abgeleitet, die sich aufgrund ihrer Antwort bei Punktreizung in drei Typen unterteilen ließen. E-Zellen (49 %) erhöhten die Entladungsrate bei einer Punktreizung im Zentrum ihrer rezeptiven Felder, während die Entladungsrate bei I-Zellen (21 %) sank. Dreißig Prozent der NL-Neurone antworteten weder bei elektrischer Reizung noch auf die 'Corollary discharge' ohne periphere Reizung ("nicht-antwortende"-Zellen). E- und I-Zellen feuerten bis auf eine Ausnahme (E-Zelle) ohne periphere Reizung nur im Zeitraum der 'Corollary discharge' APs. Die rezeptiven Felder von NL-Zellen hatten eine ähnliche Größe wie die rezeptiven Felder von ELL-Zellen. Dies überrascht, da in anderen sensorischen Systemen in der Regel die Größe der rezeptiven Felder in höheren Kerngebieten zunimmt. Außerdem gab es eine auffällige Häufung von rezeptiven Feldern im Kopfbereich und auf dem Schnauzenorgan. Dies kann mit der hohen Elektrorezeptordichte von Gnathonemus petersii in dieser Körperregion erklärt werden (Harder 1968). Eine hohe räumliche Auflösung der elektrischen Informationen in der Nähe der Maulöffnung kann bei der nächtlichen Beutesuche besonders hilfreich sein.
Bei Ganzkörperreizung antworteten 72 % der getesteten NL-Neurone (12 E- und 9 I-Zellen) meist mit geringer Antwortstärke, während 28 % bei Ganzkörperreizung nicht antworteten. Die Antworten unterschieden sich von den Antworten bei Punktreizung und waren vor allem durch Änderungen im Antwortmuster und weniger durch Änderung der Entladungsrate charakterisiert. Es scheint, dass im NL lokale Informationen von der Hautoberfläche erhalten bleiben oder rekonstruiert werden. Zusätzlich werden die Antworten vieler NL-Neurone bei einer großflächigen Reizung mit einem Ganzkörperreiz durch bislang unbekannte Eingänge moduliert. Diese Eingänge könnten von Elektrorezeptoren stammen, die in der Peripherie der rezeptiven Felder oder an weiter entfernten Körperstellen lokalisiert sind.
Im NL antworteten mit 67 % der E- und I-Zellen mehr Neurone nach elektrischen Reizänderungen plastisch als im ELL (43 %). Allerdings waren die Antwortverläufe der Plastizität bei verschiedenen Zellen unterschiedlich. Plastische Antworten im NL sind nur zum Teil durch Eingänge von plastischen Zellen im ELL zu erklären. Außerdem kann es sein, dass Plastizität außer im ELL zusätzlich im NL gebildet wird. Die Mechanismen, die der Plastizität im NL zugrunde liegen, bleiben zu klären.
Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse kann die Hypothese aufgestellt werden, dass im NL elektrosensorische Informationen in zwei Kanälen verarbeitet werden. In einem Kanal werden lokale Informationen repräsentiert, während im zweiten Kanal Eingänge über einen größeren Teil der Körperoberfläche integriert werden. Es ist erstaunlich, dass im zentralen NL einfache, lokale Informationen häufiger repräsentiert und stärker beantwortet werden als Ganzkörperreize. Diese Neurone könnten der Detektion lokaler Reize dienen, wie sie zum Beispiel durch kleine Beutetiere (Daphnien, M&üuml;ckenlarve) erzeugt werden. Eine weitere Aufgabe von NL-Neuronen könnte darin liegen, ganz bestimmte elektrische Muster auf der Körperoberfläche zu detektieren, die zum Beispiel Objekt-Entfernung, -Größe oder -Bewegungsrichtung codieren. Das passende elektrische Muster für eine optimale Reizung könnte ein vorbeischwimmender Artgenosse, ein Räuber oder Beute sein. Um dies zu prüfen, müssten die Lage und der Typ aller Elektrorezeptoren auf der Körperoberfläche bekannt sein, die auf ein NL-Neuron projizieren.},

url = {https://hdl.handle.net/20.500.11811/1789}
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