Schmidt, Simone Alexandra: Charakterisierung ausgesuchter Pflanzeninhaltsstoffe in Hinblick auf ihre estrogene Wirkung. - Bonn, 2003. - Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Online-Ausgabe in bonndoc: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5n-02441
@phdthesis{handle:20.500.11811/1918,
urn: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5n-02441,
author = {{Simone Alexandra Schmidt}},
title = {Charakterisierung ausgesuchter Pflanzeninhaltsstoffe in Hinblick auf ihre estrogene Wirkung},
school = {Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn},
year = 2003,
note = {Phytoestrogene (pflanzliche Inhaltsstoffe mit Affinität zum Estrogenrezeptor) haben in den vergangenen Jahrzehnten in zunehmendem Maße aufgrund ihrer pharmakologischen Eigenschaften wissenschaftliches Interesse geweckt. Darüber hinaus sind diese Substanzen in den letzten Jahren auch zunehmend in das Interesse der breiten Bevölkerung gerückt. Durch die teilweise aggressive Bewerbung von phytoestrogenhaltigen Produkten (z. B. Nahrungsergänzungsmitteln und Arzneimitteln) erscheinen diese als die effektivste und nebenwirkungsfreie Alter­native zu synthetischen Hormonen, so z. B. zur Behandlung von klimakterischen Beschwerden. Als weiterer harmakologischer Nutzen der Verbindungen werden der Schutz vor ormonabhängigen Krebserkrankungen (z. B. Brust- oder Prostatakrebs), steoporose und kardiovaskulären Erkrankungen in die Diskussion eingebracht.
Diese Erkenntnisse zum möglichen Wirkspektrum der Phytoestrogene beruhen jedoch in erster Linie auf Beobachtungen einzelner Völkergruppen und ihrer Ernährungsgewohnheiten.
Auf der anderen Seite werden gerade von Wissenschaftlern Befürchtungen geäußert, dass die genannten Pflanzeninhaltsstoffe natürliche hormonelle Regelkreise stören und dadurch die Entstehung von Unfruchtbarkeit, Fehlbildungen bei Embryonen und auch Krebserkrankungen fördern können.
Ziel dieser Arbeit mit dem Titel Charakterisierung ausgesuchter Pflanzeninhaltsstoffe im Hinblick auf ihre estrogene Wirkung war es demnach, die Phytoestrogene, Genistein, Daidzein und Coumestrol in vitro in der humanen Brustkrebszelllinie MCF-7 und in vivo im Rattenmodell genauer zu charakterisieren und einen Beitrag zu der Aufklärung ihrer molekularen Wirkmechanismen zu leisten. Insbesondere sollte die Frage geklärt werden, ob sich die genannten Substanzen wie reine Estrogene verhalten oder ob sie eher der Klasse der selektiven Estrogenrezeptor-Modulatoren (SERM) zuzurechnen sind. Als Beispiel für synthetische Verbindungen mit Affinität zum Estrogenrezeptor, die ihre estrogenartige Wirkung jedoch nur in bestimmten Geweben entfalten, seien Tamoxifen und Raloxifen genannt.
Zunächst wurden die Substanzen in MCF-7 Zellen - einem seit vielen Jahren etablierten in vitro Testsystem - auf Estrogenität untersucht. Die Analyse der Zellkulturexperimente belegte für die drei ausgewählten Phytoestrogene eindeutig eine dem Estrogen sehr ähnliche Wirkung. Analog zu 17ß-Estradiol (E2) stimulierten die Untersuchungssubstanzen Genistein, Daidzein und Coumestrol die Proliferation der Zellen und hemmten ihre Apoptose. In Kombination mit dem natürlichen Estrogen zeigten die Phytoestrogene keine Tendenz zum Antagonismus. Bezogen auf den Parameter Apoptosehemmung verstärkten sie die E2-Wirkung; ein Einfluss auf die gesteigerte Proliferation durch E2 war nicht auszumachen. Von den drei untersuchten Pflanzeninhaltsstoffen erwies sich Coumestrol am potentesten und zeigte die größte Ähnlichkeit mit dem natürlichen Estrogen.
Die Analyse der Tierexperimente in weiblichen ovarektomierten Ratten verschiedener Stämme (Wistar, Da/Han, Sprague-Dawley) lieferte ein sehr komplexes Bild an Informationen. Durch die kombinierte Applikation des synthetischen Estrogens Ethinylestradiol (EE) zusammen mit dem Phytoestrogen Genistein konnte für das Phytoestrogen auch in vivo kein Hinweis auf einen Antagonismus erbracht werden. Die Analyse der Parameter Uterusfeuchtgewicht, Uterus- und Vaginalepithelhöhen sowie die Genexpression estrogensensitiver Gene im Uterus lieferte ebenfalls lediglich additive Effekte. Somit konnte keine Bestätigung der häufig postulierten These erbracht werden, Phytoestrogene verdrängen das deutlich potentere natürliche Estrogen 17ß-Estradiol (oder das synthetische Ethinylestradiol) vom Estrogenrezeptor und schützen somit vor dessen Wirkungen.
Im uterotrophen Assay induzierten die Substanzen Genistein und Daidzein im Gegensatz zu Estradiol nur eine sehr schwache Zunahme des Uterusfeuchtgewichtes, die nach kurzer Zeit wieder verschwand. Jedoch zeigte die Analyse der mRNA-Expression des estrogensensitiven Gens Komplement C3 im Uterus ein deutliches Ansprechen sowohl auf die Applikation des natürlichen und synthetischen Estrogens (E2 und EE) als auch auf die Gabe von Phytoestrogenen. Im Gegensatz dazu induzierte das Phytoestrogen Genistein die Expression der Cyclooxygenase-2 im Uterus nur verhältnismäßig schwach.
Auch die Analyse der Brustdrüse der weiblichen Tiere und hierbei insbesondere die Expression des Progesteronrezeptors (PR) auf mRNA- und Proteinebene lieferte durch die Induktion des PRs Beweise für einen eindeutig estrogenen Effekt durch Genistein und Daidzein.
Abschließend zeigte die Untersuchung der Vena cava als Bestandteil des kardiovaskulären Systems durch Analyse der mRNA-Expression des Progesteronrezeptors und der Cyclooxygenase-2 (COX-2) für Genistein ebenso wie für E2 eine Induktion des PRs und eine Reprimierung der COX-2.
Zusätzlich konnte durch Vergleich der Expressionen der COX-2 in den beiden Organen bzw. Geweben (Uterus und Vena cava) eine entgegen gesetzte Regulation des Gens auf mRNA-Ebene nachgewiesen werden. Während sowohl das natürliche Estrogen als auch das Phytoestrogen im Uterus die Expression der COX-2 induzierten, wurde sie in der Vena cava reprimiert.
Zusammenfassend liefern die Untersuchungsergebnisse der vorliegenden Arbeit die Erkenntnis, dass es sich bei Phytoestrogenen um durchaus wirksame Verbindungen handelt, die in ihrer Wirkstärke jedoch je nach Untersuchungsparameter deutlich hinter den reinen Estrogenen (E2, EE) zurückbleiben. Sie lassen sich ebenso wie endogene und synthetische Verbindungen als Agonisten, Antagonisten und Partialagonisten klassifizieren und greifen vielfältig in molekulare Wirkme­chanismen ein.
Auch wenn sich die in dieser Arbeit untersuchten Phytoestrogene Genistein, Daidzein und Coumestrol scheinbar als Agonisten darstellen, zeigen andere vorgestellte Versuchsergebnisse, dass jede einzelne Substanz einer individuellen Prüfung ihrer pharmakologischen Eigenschaften in verschiedenen in vivo und in vitro Testsystemen bedarf. Viel versprechende neue, jedoch noch nicht veröffentlichte Ergebnisse weisen darauf hin, dass insbesondere Genistein zwar eine Vielzahl klassisch regulierter Gene ebenso wie E2 induziert, alternativ regulierte Gene sowie Gene, die eine Proliferation anzeigen (PCNA, Ki-67), jedoch nicht beeinflusst. Falls sich diese Untersuchungsergebnisse in Zukunft bestätigen ließen, wäre für Genistein eine eindeutig partialagonistische Wirkweise belegt.},

url = {https://hdl.handle.net/20.500.11811/1918}
}

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