Reimann, Susanne: Experimentelle und numerische Untersuchungen des biomechanischen Verhaltens von mehrwurzeligen Zähnen. - Bonn, 2008. - Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Online-Ausgabe in bonndoc: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5N-14560
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In der vorliegenden Arbeit wurde mit experimentellen und numerischen Analysen das biomechanische Verhalten von mehrwurzeligen Zähnen untersucht. Im besonderen wurde das Kraft-/Auslenkungsverhalten in Abhängigkeit des Entwicklungsstadiums der Nachbarzähne untersucht.
Zur numerischen Berechnung wurde ein annähernd anatomisch korrektes Oberkiefermodell mit Zähnen, Zahnhalteapparat und Knochen aus einem kommerziellen Modell in einem Finite-Elemente-Methoden(FEM)-Programm erstellt. Es wurden Modelle untersucht, in denen der zweite Molare in verschiedenen Durchbruchsstadien vorhanden war. Die Modelle und die Ergebnisse des Zahnauslenkungsverhaltens wurden durch eine klinische Studie ergänzt. Klinisch wurde eine kurzzeitige, definierte, distale Kraft über den Außenbogen eines Headgears auf den ersten Molaren aufgebracht und die Zahnauslenkung gemessen. Untersucht wurden zwei Patientengruppen, eine Gruppe mit durchgebrochenen zweiten Molaren und eine Gruppe, in der nur der erste Molar durchgebrochen war. Vervollständigt wurde die biomechanische Untersuchung durch die Messung der initialen Zahnbewegung in einem tierexperimentellen Modell. An dreiwurzeligen Schweineprämolaren in verschiedenen Durchbruchsstadien wurde das kraftabhängige Zahnauslenkungsverhalten in einem optomechanischen Aufbau gemessen. Beiden experimentellen Situationen wurden die Finite-Elementen-Analysen im FEM-Programm MSC.Marc/Mentat numerisch gegenüber gestellt.
Zur Simulation der tierexperimentellen Situation wurden aus einem Teil der Präparate Schnitte gefertigt und diese mit einem Mikroskop fotografiert. Diese Photos wurden digitalisiert. Aus dem anderen Teil der Präparate wurden computertomographische Schnittbilder erzeugt. Mit dem Rekonstruktionsprogramm ADOR3D wurden aus diesen Bildern dreidimensionale Oberflächenmodelle generiert. In der praktischen Durchführung erwies sich die Schnittbilderzeugung mittels Computertomograph gegenüber der Bilderzeugung über den Zwischenschritt histologischer Schnittpräparate für diese Fragestellung überlegen, da mit deutlich geringerem Zeitaufwand detailliertere Modell erhalten wurden. Alle Modelle wurden entsprechend des Experimentes bzw. der klinischen Untersuchung mit Randbedingungen (Materialparameter, Lasten) beaufschlagt und die Zahnauslenkungen berechnet. Zunächst wurden die Materialparameter des Parodontalligamentes aus vorherigen kieferorthopädischen Studien verwandt. Im Vergleich der experimentell und numerisch ermittelten Kraft-/Auslenkungsdiagramme konnten diese Parameter iterativ so angepasst werden, dass die errechneten kraftabhängigen Zahnauslenkungen den klinischen bzw. experimentellen Situationen entsprachen. Nachfolgend wurden diese validierten Modelle zur Errechnung der Verzerrungs- und Spannungsverteilungen im Parodontalligament und Knochen um belastete Zähne genutzt.
Es konnte gezeigt werden, dass die initiale Zahnbeweglichkeit des ersten oberen Molaren vom Durchbruchsstadium seiner distalen Nachbarzähne abhängig ist. Die größte Translation des ersten Molaren ergab sich wenn der zweite Molar nicht oder halb durchgebrochen war. Die Auslenkung des ersten Molaren bei vollständig durchgebrochenem distalen Nachbarzahn ist im Experiment um bis zu 50 %, klinisch um durchschnittlich 10 %, verringert gegenüber einem maximal halb durch gebrochenen Nachbarzahn. Etwa 50 % der Kraft wurde im Experiment auf den zweiten Zahn übertragen, klinisch annähernd 30 %. Durch die Materialanpassung an die jeweilige Situation wurde außerdem deutlich, dass das Auslenkungsverhalten von Zähnen von den Belastungszeiten abhängig ist. Weitere zeitabhängige Experimente an Schweinepräparaten bestätigten diese Berechnungen.
Die Verwendung eines idealisierten Modells ließ Individualitäten in der Morphologie der Zähne und im Aufbau des umgebenden Halteapparates unberücksichtigt. Die Parodontalspaltbreite wurde idealisiert mit einer gleichmäßigen Stärke von 200 μm angenommen. Außerdem ging das Materialmodell von einer Isotropie und Homogenität des gesamten Parodontiums aus; eine wissentliche Abweichung zur Realität, die im Rahmen der Idealisierung des Rechenmodells bewusst vorgenommen wurde, da sie die zurzeit bestmögliche Näherung an die tatsächlichen Vorgänge im Parodontium beschrieb. Ebenso konnten Einflüsse von Kauvorgängen, dem Zusammenbiss von Oberkiefer und Unterkiefer, sowie Weichteilfunktionen im Rahmen der Idealisierung keine Berücksichtigung finden. Obgleich die theoretischen, numerischen Modelle Beschränkungen in Bezug auf ihre Darstellung der lebenden biologischen Strukturen haben, scheint es, dass der große Zeitaufwand und die Rechenleistung, resultierend aus der hohen Komplexität des FEM-Modells, angesichts der dargestellten Resultate gerechtfertigt sind.
Klinische Erfahrungswerte in Bezug auf die Zahnbewegung mit Headgear konnten mit allen drei Untersuchungsmethoden bestätigt werden. Die dargestellte Studie stellt somit ein Beispiel für den Einsatz von theoretischen, biomechanischen Modellen mit direkter klinischer Bezug vor.

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