Hänisch, Britta: Molekularbiologische und pharmakologische Untersuchungen zur Pathogenese der Depression und zur Wirkung von Antidepressiva. - Bonn, 2009. - Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Online-Ausgabe in bonndoc: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5N-18902
@phdthesis{handle:20.500.11811/4140,
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author = {{Britta Hänisch}},
title = {Molekularbiologische und pharmakologische Untersuchungen zur Pathogenese der Depression und zur Wirkung von Antidepressiva},
school = {Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn},
year = 2009,
month = oct,

note = {Alle klinisch relevanten Antidepressiva entfalten ihre antidepressive Wirkung nach einer Latenzzeit von 2-6 Wochen während ihre primären pharmakologischen Effekte auf die Homöostase der Monoamine Noradrenalin (NA) und Serotonin unmittelbar einsetzen. Dies lässt vermuten, dass nicht die initialen Effekte (z.B. Hemmung der Rückaufnahme von NA und/oder Serotonin), sondern vielmehr nachgeschaltete Adaptationsprozesse für die antidepressive Wirkung verantwortlich sind. In jüngster Zeit werden dabei zunehmend Genprodukte, welche die neuronale Regeneration und synaptische Plastizität beeinflussen, wie z.B. Neurotrophine, als Zielstrukturen diskutiert. Auch Neuropeptid-Systeme, die u.a. an der Stressantwort und an der Neuromodulation beteiligt sind, spielen im Depressionsgeschehen und in der antidepressiven Wirkung eine Rolle.
In der vorliegenden Arbeit wurde mit molekularbiologischen, pharmakologischen und genetischen Ansätzen versucht, einen Beitrag zur Aufklärung der Pathogenese der Depression und des der antidepressiven Wirkung von Antidepressiva zugrunde liegenden Mechanismus zu erbringen.
Zahlreiche klinisch bedeutsame Antidepressiva sind Inhibitoren des Noradrenalintransporters (NAT), wodurch sie im Zentralnervensystem die synaptische NA-Konzentration erhöhen. NAT-knockout (NATKO; NAT-/-)-Mäuse, bei denen das NAT-Gen inaktiviert wurde, stellen ein Modell für die chronische Gabe von Antidepressiva dar, die den NAT selektiv hemmen (z.B. Reboxetin). Diese NAT-/--Mäuse zeigen ein Verhalten wie mit Antidepressiva behandelte Wildtyp-Mäuse (NAT+/+-Mäuse). Dies bedeutet, dass bei NAT-/--Mäusen durch die fehlende Rückaufnahme von freigesetztem NA Veränderungen im ZNS stattgefunden haben, die typischerweise nach Antidepressiva-Gabe eintreten.
Zunächst wurde eine Analyse der Genexpression von 26 ausgewählten Zielgenen der Neurotrophine (BDNF, NGF, NT-3 und NT-4/5) und ihrer Rezeptoren (p75NTR, TrkA, TrkB und TrkC), der Neuropeptide (CRF, AVP, Galanin und SP) und ihrer Rezeptoren (CRFR 1, CRFR 2, V1a, V1b, GalR 1, GalR 2, GalR 3, NK-1, NK-2 und NK-3) sowie der Monoamintransporter OCT 1, OCT 2, OCT 3 und PMAT im Gesamthirn und in den Gehirnregionen Bulbus olfactorius, cerebraler Cortex, Cerebellum, Hirnstamm, Hippocampus, Striatum und Hypothalamus von NAT-/-- und NAT+/+-Mäusen mittels quantitativer PCR (qPCR) durchgeführt. Es ergaben sich differenzielle, aber meist gering ausgeprägte Regulationen von Neurotrophinen, Neuropeptiden und ihren Rezeptoren in verschiedenen Gehirnregionen während die untersuchten Transporter in ihrer mRNA-Expression unbeeinflusst blieben. Für ausgewählte Zielgene, namentlich BDNF, NGF, NT-3 und CRF, wurden NATKO-induzierte Expressionsveränderungen auf Proteinebene mittels ELISA untersucht. Dabei konnte für BDNF keine signifikante Regulation in den untersuchten Hirnregionen festgestellt werden. NGF war signifikant (bis zu 70 %) im Bulbus olfactorius, Cerebellum und Hirnstamm NATKO-bedingt vermindert exprimiert; NT-3 war im Bulbus olfactorius und CRF im Hippocampus um 40 % reduziert.
Um depressionsinduzierte Adaptationsvorgänge im ZNS möglichst wirklichkeitsnah untersuchen zu können, wurden zwei Tiermodelle für Depression, die auf chronischem Stress basieren, eingesetzt: Immobilisationsstress und sozialer Stress (restraint- und social-defeat-Stress). Weiterhin wurden fünf Antidepressiva (Reboxetin, Trimipramin, Bupropion, Citalopram, Imipramin) mit unterschiedlichem primärem pharmakologischen Wirkungsmechanismus in den Depressionsmodellen getestet. Die Etablierung der zwei Tiermodelle, die Untersuchung der physiologischen, verhaltenspharmakologischen und neurochemischen Auswirkungen sowie der Einfluss der eingesetzten Antidepressiva in NAT+/+- und NAT-/--Mäusen war einer der Hauptaspekte der vorliegenden Arbeit. Es zeigten sich in beiden Depressionsmodellen vergleichbare und deutliche Effekte auf das Verhalten und die cerebrale Expression von Neurotrophinen und Neuropeptiden; hierbei wiesen NAT+/+-Mäuse in allen angewandten Verhaltenstests für Depression (forced-swim-Test, sucrose-preference-Test und social-interaction-Test) depressives Verhalten auf. Bezüglich der Neurotrophin-Regulation wurden für BDNF, NGF und NT-3 auf mRNA- und Proteinebene erhebliche Downregulationen im Hippocampus und cerebralen Cortex (50-85 %) sowie ausgeprägte Hochregulationen im Striatum (bis zu 100 %) beobachtet. Für BDNF konnte exemplarisch gezeigt werden, dass die hippocampale Regulation sehr wahrscheinlich auf einer epigenetischen Änderung, nämlich einer um 88 % erhöhten Cytosin-Methylierung des BDNF IV-Promotors, beruht. Die Neurotrophin-Rezeptoren p75NTR und TrkB, die auf mRNA-Ebene untersucht wurden, waren im Hippocampus 2-fach vermindert und im Striatum 2-fach erhöht exprimiert. Das Neuropeptid CRF wurde Depressionsmodell-bedingt im Hippocampus und Hypothalamus auf mRNA-Ebene 3-4-fach induziert, was zu einer Erhöhung des Proteingehalts um 60-100 % führte. Der CRF-Rezeptor CRFR 1 war hippocampal ca. 4-fach induziert wohingegen CRFR 2 um den Faktor 3-4 vermindert exprimiert wurde. Galanin sowie seine Rezeptoren GalR 1 und GalR 3 zeigten in den Gehirnregionen cerebraler Cortex, Hirnstamm, Hippocampus und Hypothalamus tendenziell bis signifikant erhöhte mRNA-Expressionen (um den Faktor 2-4). GalR 2 dagegen war im Hirnstamm und Hypothalamus (signifikant 2-4-fach) downreguliert. Von den untersuchten Monoamintransportern zeigte der OCT 3 im Hirnstamm und Hypothalamus eine 2-fache Expressionserhöhung. Der hierbei ebenfalls untersuchte Serotonintransporter wies eine 2-fache Induktion im Hirnstamm auf. Die Depressionsmodell-bedingten Veränderungen im Verhalten und in der Expression der untersuchten Zielgene ließen sich bei den NAT+/+-Mäusen durch die Gabe der oben erwähnten Antidepressiva verhindern und zwar unabhängig von ihrem primären Wirkungsmechanismus. NAT-/--Mäuse dagegen zeigten weder durch chronischen Immobilisationsstress noch durch sozialen Stress Veränderungen im Verhalten oder in der Expression der getesteten Zielgene. Auch die Antidepressiva Reboxetin oder Imipramin bewirkten keine zusätzlichen Effekte bei den NAT-/--Mäusen. Somit wurde nachgewiesen, dass pharmakologisch divergente Antidepressiva einen gemeinsamen finalen Wirkungsmechanismus hinsichtlich Neurotrophin- und Neuropeptid-vermittelter Effekte haben, die außer in hippocampalen Regionen auch in corticalen und striatalen Gehirnbereichen sowie im Hirnstamm und Hypothalamus eine Rolle spielen. NAT-/--Mäuse konnten als stress- bzw. depressionsresistent identifiziert werden. Dies weist auf eine besondere Bedeutung des noradrenergen Systems bei der Pathophysiologie der Depression hin.
Ein weiterer Teil dieser Arbeit beschäftigte sich mit der Frage, ob der kürzlich beschriebene humane Plasmamembran-Monoamintransporter (hPMAT) an der Wirkung von Antidepressiva beteiligt sein könnte. Es zeigte sich, dass alle getesteten Antidepressiva (Sertralin, Fluoxetin, Paroxetin, Reboxetin, Venlafaxin, Bupropion, Amitriptylin, Desipramin, Imipramin, Tianeptin, Trimipramin) IC50-Werte aufwiesen, die deutlich über den klinisch relevanten Konzentrationen lagen. Dies weist darauf hin, dass der hPMAT nicht an deren Wirkung beteiligt ist.
Schließlich wurden neun natürlich vorkommende Polymorphismen (single nucleotide polymorphisms, SNPs) des hNAT, die zu einer veränderten Aminosäuresequenz im Transporterprotein führen, mittels [3H]Nisoxetin-Bindung und [3H]NA-Aufnahme pharmakologisch überprüft und auf Assoziation mit unipolarer Depression untersucht. Alle hNAT-Varianten zeigten eine zumindest tendenziell verminderte Plasmamembran-Expression. Die [3H]NA-Aufnahme war bei den hNAT-Varianten R121Q, N292T und A369P im Vergleich zum hNAT-Wildtyp signifikant vermindert während die der F528C-Variante signifikant erhöht war. Dies würde in-vivo eine verminderte NA-Konzentration im synaptischen Spalt bedeuten. Die anschließende Assoziationsstudie mit 426 unipolar depressiven Patienten und 643 gesunden Kontrollpersonen ergab eine signifikante Assoziation der F528C-Variante mit unipolarer Depression.},

url = {https://hdl.handle.net/20.500.11811/4140}
}

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