Friemel, Anne: Interaktionen am hERG-Kanal. - Bonn, 2010. - Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Online-Ausgabe in bonndoc: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5N-23264
@phdthesis{handle:20.500.11811/4674,
urn: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5N-23264,
author = {{Anne Friemel}},
title = {Interaktionen am hERG-Kanal},
school = {Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn},
year = 2010,
month = nov,

note = {Die schnelle Komponente des verzögerten, einwärtsgleichrichtenden K+-Stromes der Herzzelle (rapid delayed rectifier, IKr), die durch hERG (human ether-à-go-go-related gene) kodiert wird, ist für die Repolarisation des kardialen Aktionspotentials verantwortlich. Es sind über 160 nicht-kardiovaskuläre Arzneistoffe bekannt, die über die Hemmung des IKr zu einer bestimmten Form von lebensbedrohlichen ventrikulären polymorphen Tachykardien (Torsades de Pointes (TdP)-Arrhythmie) führen. Dieses arrhythmogene Potential hat in den letzten Jahren bei einigen Arzneimitteln zu einer veränderten Nutzen-Risiko-Bewertung geführt, und gemäß einer internationalen Richtlinie (ICH S7B Guideline, 2005) sind Untersuchungen an hERG-Kanälen zur Abklärung des arrhythmogenen Potentials neuer Arzneistoffe vor der Anwendung am Menschen durchzuführen. Zurzeit ist nicht bekannt, ob bei simultaner Einnahme mehrerer hERG-Kanal-blockierender Arzneimittel das kardiotoxische Potential über Interaktionen der Bindungsstellen am hERG-Kanal potenziert wird. Zur Untersuchung möglicher Interaktionen an hERG-Kanälen wurde der Porenblocker Terfenadin mit den folgenden Substanzen, die unterschiedliche Bindungsstellen aufweisen, kombiniert: Dofetilid, Fluvoxamin, CnErg1 und Chlorbutanol. Die Fragestellung wurde mit Hilfe von elektrophysiologischen (Patch-Clamp) Messungen an hERG-exprimierenden HEK 293-Zellen untersucht.
Zwischen Terfenadin und Dofetilid wurden additive Effekte am hERG-Kanal nachgewiesen, was auf die überlappenden Bindungsstellen der beiden Substanzen im Inneren der Pore des hERG-Kanals zurückgeführt wurde. Terfenadin und Dofetilid interagieren jeweils mit Thr623 und Ser624 an der Basis der Porenhelix, sowie mit Tyr652 und Phe656 in der S6-Domäne. Dofetilid interagiert zusätzlich mit Gly648 und Val659 in der S6 Domäne. Da jeweils nur eine der beiden Substanzen im Poreninneren gebunden sein kann, waren nur additive Effekte messbar.
Überraschenderweise wurden zwischen Terfenadin und Fluvoxamin keine Interaktionen nachgewiesen. Eine solche Interaktion wäre aufgrund der Annahme einer extrazellulären Bindungsstelle des Fluvoxamins (Milnes et al. 2003, Mitcheson 2003) denkbar. Für eine extrazelluläre Fluvoxamin-Bindungsstelle spricht die Beobachtung, dass über die Pipettenlösung appliziertes Fluvoxamin keinen Effekt auf hERG-Ströme hatte, dass die hERG-Strom-Blockade relativ insensitiv gegenüber Mutationen an den Positionen Tyr652 und Phe656 ist und der Block durch Fluvoxamin extrem schnell einsetzt (Milnes et al. 2003, Kommentar in Mitcheson, 2003). Dagegen deutet das von Stansfeld et al. (2007) postulierte in silico-Modell des hERG-Kanals auf eine Fluvoxamin-Bindungsstelle im Poreninneren des hERG-Kanals hin. Die beobachteten additiven Effekte von Terfenadin und Fluvoxamin an hERG-Kanälen lassen offen, wo Fluvoxamin bindet.
Zwischen Terfenadin und dem Skorpiontoxin CnErg1, das eine nachgewiesene extrazelluläre Bindungsstelle in der „Turret“-Helix aufweist, wurden leichte subadditive Effekte nachgewiesen. Es wurde gezeigt, dass die Bindung von Terfenadin keinen Einfluss auf die Wirkung von CnErg1 hatte, dagegen führte die Bindung von CnErg1 an seine extrazelluläre Bindungsstelle zu einer leichten Antagonisierung der Terfenadin-Effekte auf hERG-Ströme. Eine mögliche Ursache für diesen Effekt könnte die Behinderung des auf der extrazellulären Seite stattfindenden Inaktivierungsprozesses durch CnErg1 sein. Eine gestörte Inaktivierung könnte zu einer verminderten Terfenadin-Affinität führen, da die Interaktion des Terfenadins mit seiner Bindungsstelle im Poreninneren bevorzugt im inaktivierten Zustand erfolgt.
Zwischen Terfenadin und dem Konservierungsmittel Chlorbutanol wurden synergistische Effekte an hERG-Kanälen nachgewiesen. Terfenadin und Chlorbutanol verstärken sich gegenseitig konzentrationsabhängig in ihren hERG-Strom-hemmenden Effekten. Die Untersuchungen zur Zeit- und Spannungsabhängigkeit der hERG-Strom-Blockade durch Terfenadin und Chlorbutanol wiesen auf unterschiedliche Mechanismen der hERG-Strom-Blockade und damit auf unterschiedliche Bindungsstellen der beiden Substanzen am hERG-Kanal hin. Während Terfenadin bevorzugt mit dem inaktivierten Zustand des hERG-Kanals interagiert, scheint Chlorbutanol ein Offen-Kanal-Blocker zu sein. Die Untersuchungen mit Tyr652Ala-mutierten hERG-Kanälen stützen die Vorstellung, dass Chlorbutanol nicht mit der für Porenblocker typischen Bindungsstelle interagiert. Die bei Applikation der Kombination von Terfenadin und Chlorbutanol verlangsamte Reversibilität des Chlorbutanol-Blocks könnte für die synergistischen Effekte zwischen den beiden Substanzen verantwortlich sein.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ähnliche synergistische Effekte an hERG-Kanälen zwischen Chlorbutanol und anderen hERG-Kanal-blockierenden Substanzen, die im Poreninneren des hERG-Kanals binden, auftreten. Chlorbutanol wird in parenteralen Arzneizubereitungen in Konzentrationen von bis zu 30 mM eingesetzt. Die von DeChristofero et al. (1983) gemessene Plasmakonzentration von 0,5 mM liegt im Bereich hERG-Strom-hemmender Konzentrationen (IC50 7,4 mM), zusätzliche synergistische Interaktionen mit anderen hERG-Kanal-Blockern sind denkbar und können das kardiotoxische Risiko erhöhen.
Die Konzentrations-Wirkungs-Kurve von Terfenadin hinsichtlich der Hemmung von hERG-Strömen wurde bei der Applikation der Substanz über die Pipettenlösung im Vergleich zur extrazellulären Applikation sehr stark zu höheren Konzentrationen verschoben. Da bereits im Jahr 2000 (Mitcheson et al. B) eine Terfenadin-Bindungsstelle im Poreninneren des hERG-Kanals identifiziert wurde, ist dieses Ergebnis überraschend. Eine Beteiligung von P-Glykoprotein, OCTN-1 oder ATP-abhängigen Transportprozessen am Efflux von intrazellulär appliziertem Terfenadin in HEK 293-Zellen, scheint unwahrscheinlich, da die Hemmung dieser Transporter nicht zu einer Steigerung der hERG-hemmenden Effekte von über die Pipettenlösung appliziertem Terfenadin führte. Möglicherweise bindet über die Pipettenlösung appliziertes Terfenadin mit hoher Affinität an intrazelluläre Proteine z.B. an die im Cytoplasma vorhandenen hERG-Kanäle, wodurch die an der Plasmamembran ankommende Terfenadin-Konzentration deutlich reduziert würde. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um die verminderte Affinität von intrazellulär appliziertem Terfenadin an hERG-Kanälen zu klären.},

url = {https://hdl.handle.net/20.500.11811/4674}
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