Zink, Alexander Michael: Detektion chromosomaler Kopienzahlveränderungen bei Patienten mit Intelligenzminderung zur Identifizierung und Charakterisierung von Kandidatengenen. - Bonn, 2013. - Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Online-Ausgabe in bonndoc: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5n-31482
@phdthesis{handle:20.500.11811/5644,
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note = {Die phänotypischen Unterschiede zwischen Individuen sind neben Umwelteinflüssen vor allem auf die genetische Variabilität zurückzuführen (Schafer & Hawkins, 1998). Das Spektrum bekannter genetischer Unterschiede zwischen Individuen ist sowohl in Bezug auf deren verschiedene Formen als auch auf ihre Anzahl sehr groß und reicht von numerischen Chromosomenaberrationen über strukturelle Chromosomenumbauten wie Translokationen oder CNVs (Copy Number Variations= Kopienzahlvarianten) bis hin zu SNPs (Single Nucleotide Polymorphisms= Ein-Basen-Polymorphismen) (Feuk et al., 2006). CNVs sind DNA-Segmente, die bei verschiedenen Individuen einer Spezies in unterschiedlicher Kopienzahl vorliegen und zwischen einem Kilobasenpaar (kb) und mehreren Megabasenpaaren (Mb) groß sein können. Ein CNV kann in einer verringerten (heterozygote oder homozygote Deletion) oder einer vermehrten (Duplikation, Triplikation usw.) Kopienzahl vorliegen. Schätzungen ergaben, dass CNVs ca. 13% des menschlichen Genoms betreffen (Stankiewicz & Lupski, 2010). CNVs können sowohl in der Meiose als auch in der Mitose entstehen und führen demnach entweder zu einem durchgehenden Genotyp oder zu einem Mosaik. Zum jetzigen Zeitpunkt sind drei verschiedene Mechanismen der CNV-Entstehung bekannt: die Nicht-Allelische Homologe Rekombination (NAHR), die Nicht-Homologe End-Verbindung (NHEJ= Non Homologous End Joining) und FoSTeS (Fork Stalling and Template Switching) (Gu et al., 2008). In Abhängigkeit von der Lokalisation eines CNVs und dem daraus resultierenden genetischen Inhalt kann eine Pathogenität in Bezug auf bestimmte Phänotypen vorliegen. CNVs können mit verschiedenen Methoden, die sich in ihrer Auflösung und ihrem Detektionsspektrum unterscheiden, detektiert werden. Unter diesen Methoden ist die sogenannte molekulare Karyotypisierung durch verschiedene Array-Technologien am aussagekräftigsten, da durch sie genomweit CNVs mit hoher Auflösung detektiert werden können.
Als Intelligenzminderung (Intellectual Disability = ID) wird ein Zustand verzögerter oder unvollständiger Entwicklung der geistigen Fähigkeiten bezeichnet (ICD-10-WHO Version 2011). ID hat eine Prävalenz von 1%-3% und ist damit ein häufiges Krankheitsbild (Maulik et al., 2011). Der Schweregrad der ID wird in Abhängigkeit vom Intelligenzquotienten in verschiedene Kategorien unterteilt (Zhang et al., 2005). Als möglichen Ursachen für eine ID kommen sowohl exogene als auch genetische Faktoren in Frage. Zu den genetischen Ursachen gehören numerische Aberrationen der Chromosomen (ca.11% der ID-Patienten), von denen die Trisomie 21 als Ursache des Down-Syndroms die häufigste und bekannteste ID-Ursache ist (Rauch et al., 2006). Des Weiteren weisen ca. 5% der ID-Patienten eine Mutation in einem der ca. 450 bisher bekannten mit ID assoziierten Gene auf (van Bokhoven, 2011). Nach Schätzungen, die auf der Anzahl der bekannten ID-Gene auf dem X-Chromosom basieren, wird insgesamt mit 1500-2000 ID-Genen im gesamten Genom gerechnet (Rauch et al., 2006; van Bokhoven, 2011).
Je nach untersuchtem Kollektiv weisen 5%-35% der ID-Patienten einen pathogenen CNV auf und können mit Hilfe der Array-Technologie diagnostiziert werden (Miller et al., 2010). Zu den klassischen Deletions-/Duplikationssyndromen gehören u.a. das Cri-du-chat-Syndrom (Mikrodeletion 5p15.2-p15.3), das DiGeorge-Syndrom (Mikrodeletion 22q11.2), das Williams-Beuren-Syndrom (Mikrodeletion 7q11.23) oder das Wolf-Hirschhorn-Syndrom (Mikrodeletion 4p16.3). Patienten mit diesen Syndromen weisen oft ein charakteristisches Erscheinungsbild auf und werden daher als "phenotype-first"-Syndrome bezeichnet. Patienten mit bestimmten Mikrodeletionen in 17p11.2 leiden am Smith-Magenis-Syndrom (SMS), das ebenfalls zu den "phenotype-first"-Syndromen zählt. Nach der Identifizierung dieser Mikrodeletionen als Ursache für SMS konnte durch Sequenzanalysen von Genen der deletierten Region RAI1 als das ursächliche Gen identifiziert werden - ein gutes Beispiel, wie über eine Mikrodeletion ein ursächliches ID-Gen bestimmt werden kann. Von "genotype-first"-Syndromen spricht man dagegen bei Syndromen, die nicht anhand des – häufig eher unspezifischen- klinischen Erscheinungsbildes, sondern aufgrund der gemeinsamen genetischen Ursache durch molekulare Karyotypisierung identifiziert wurden. Dazu gehören u.a. das Mikrodeletionssyndrom 2q33.1 und das Mikrodeletionssyndrom 17q21.31 (de Ravel et al., 2009). Interessanterweise führen CNVs, die die gleiche genomische Region betreffen, nicht automatisch zu identischen Phänotypen. So können zum Beispiel Mikrodeletionen in der Chromosomensubbande 15q13.3 zu einem weiten Spektrum an zentralnervösen Phänotypen wie durchschnittlicher bis grenzwertiger IQ, ID, Autismus, Epilepsie, bipolarer Störung und Schizophrenie führen. Man spricht dann von einer variablen Expressivität des CNVs. Deletionen in 16p13.11 werden sowohl gehäuft in ID-Patienten als auch in deren phänotypisch unauffälligen Eltern identifiziert und gelten daher als Risikofaktoren mit unvollständiger Penetranz für eine ID. Die wahrscheinlichste Ursache für variable Expressivität und unvollständige Penetranz liegt wahrscheinlich im unterschiedlichen genetischen Hintergrund des jeweiligen Patienten (Hannes et al., 2009; Girirajan et al., 2010).
Eine der größten aktuellen Herausforderungen der klinischen Genetik liegt in der Interpretation der bei einem Patienten identifizierten CNVs. Ziel ist es, in Bezug auf den untersuchten Phänotyp, die ursächlichen CNVs von den benignen/neutralen CNVs zu unterscheiden. Hierzu werden zur Zeit evidenzbasierte Maßstäbe etabliert, anhand derer eine Kategorisierung der CNVs stattfindet (Riggs et al., 2011). Die Maßstäbe beziehen sich hauptsächlich auf die Frequenz, mit der CNVs in der Allgemeinbevölkerung vorkommen und auf Genotyp-Phänotyp-Korrelationen von Patienten mit vergleichbaren CNVs und vergleichbaren Phänotypen. Dazu werden CNV-Daten von einer großen Anzahl ID-Patienten und Kontrollpersonen ohne ID benötigt. Diese Daten finden sich z.T. in der Literatur, häufiger jedoch in internationalen Datenbanken. Für Patientendaten ist hier die Datenbank DECIPHER (Database of Chromosomal Imbalance and Phenotype in Humans Using Ensembl Resources; http://decipher.sanger.ac.uk/) führend und für Kontrollpersonen die Database of Genomic Variants (DGV) (http://projects.tcag.ca/variation/). Zu Beginn der CNV-Interpretation wurden de novo-CNVs, die nicht in der Allgemeinbevölkerung zu finden waren, automatisch als pathogen angesehen (Buysse et al., 2009). Aufgrund der inzwischen bekannten Neumutationsrate von CNVs (2,5 de novo-CNVs/1000 Neugeborene), kann ein de novo-Ursprung aber nicht mehr als alleiniges und ausreichendes Kriterium für eine Ursächlichkeit, sondern nur als Hinweis darauf angesehen werden (Vermeesch et al., 2011).},

url = {https://hdl.handle.net/20.500.11811/5644}
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