Heß, Cornelius: Detektion diabetischer Stoffwechselentgleisungen bei forensischen Fragestellungen. - Bonn, 2013. - Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Online-Ausgabe in bonndoc: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5n-33914
@phdthesis{handle:20.500.11811/5781,
urn: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5n-33914,
author = {{Cornelius Heß}},
title = {Detektion diabetischer Stoffwechselentgleisungen bei forensischen Fragestellungen},
school = {Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn},
year = 2013,
month = nov,

note = {

Folgen einer Diabeteserkrankung sind die siebthäufigste Todesursache der Welt. Stoffwechselentgleisungen bei Lebenden sind außergewöhnlich häufig zu verzeichnen und stellen z.B. bei der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr eine Gefahr dar. Akute Komplikationen und Entgleisungen des Kohlenhydratstoffwechsels sind das diabetische Koma (diabetische Ketoazidose oder hyperosmolares Koma) und die Hypoglykämie. Die Diagnose dieser Komplikationen gerade bei forensischen Fragestellungen ist oft problematisch, bei Todesfällen auch aufgrund fehlender charakteristischer Obduktionsbefunde.
Werden bei der Insulin-Diagnostik bisher vornehmlich immunchemische Verfahren im klinischen Alltag eingesetzt, wurden nun chromatographischmassenspektrometrische Methoden zur Bestimmung von relevanten Parametern zum Nachweis der Ursache einer Hypoglykämie (humanes Insulin, C-Peptid, synthetische Insulinanaloga, orale Antidiabetika) und zum Nachweis einer Hyperglykämie (Anhydroglucitol, Methylglyoxal) entwickelt und validiert. Damit ist das Labor der forensischen Toxikologie zukünftig in der Lage, bei diesen Fragestellungen beweissichere analytische Belege zu erbringen.
Die Methoden wurden an 480 klinischen Realproben von Diabetikern und forensischen Proben wurden diese Methoden getestet. Die einzelnen Parameter (Glucose, HbA1c, Fructosamin, Anhydroglucitol, humanes Insulin, C-Peptid und Proinsulin) wurden miteinander korreliert, um die Zusammenhänge der Diabetesmarker nachvollziehen zu können. Das Diabetikerkollektiv wurde nach seiner Medikation (ohne Medikation, Einnahme von Sulfonylharnstoffen, Injektion mit humanem Insulin, Injektion synthetischer Insuline) eingeteilt, um Konzentrationsbereiche von humanem Insulin, des C-Peptids, Proinsulin und des I:C-Verhältnisses zu gewinnen, die einen Rückschluss auf die Medikation/Einstellung zulassen können.
Bei 134 Obduktionen der vergangenen Jahre aus dem Obduktionsgut der Institute für Rechtsmedizin Bonn wurden die forensisch relevanten Matrizes Femoralvenenblut, Urin, Glaskörperflüssigkeit und Liquor cerebrospinalis entnommen. Die einzelnen Parameter (Glucose, Laktat, Summenformel nach Traub, HbA1c, Fructosamin, Anhydroglucitol) wurden miteinander korreliert, um die Zusammenhänge der Diabetesmarker auch nach dem Tod nachvollziehen zu können. Die Nachweisbarkeit von humanem Insulin und seinen synthetischen Analoga in post mortem Flüssigkeiten konnte an 2 Fallbeispielen dargelegt werden. Die Möglichkeit der Detektion eines diabetishen Komas post mortem wird anhand von 6 Fallbeispielen diskutiert.
Bei Verdacht auf eine Hypoglykämie post mortem gestaltet sich der Nachweis der Hypoglykämie selbst über die Summenformel nach Traub als schwierig. Cut-Offs für die Summenformel nach Traub sollten bei 25 mg/dl liegen. Ein extrem geringer HbA1c bei behandelten Diabetikern spricht weiterhin für periodisch aufgetretende hypoglykämische Episoden. Neben dem Nachweis einer Hypoglykämie sollte auch die Klärung der Ursache gelingen. Orale Antidiabetika des Sulfonylharnstoff- , des Glinid- , des Glitazon- und des Gliptin-Typs können Hypoglykämien auslösen und nach LLE präzise von subtherapeutischen bis Überdosiskonzentrationen nachgewiesen werden. Für den Nachweis der Injektion von humanem Insulin sollten Nüchtern-Insulinkonzentrationen > 500 pmol/l den Verdacht auf eine Insulininjektion lenken, die zusätzliche C-Peptid-Analytik ist aber unerlässlich. Ein Verhältnis humanes Insulin zu C-Peptid > 0,22 im nüchternen Zustand in den der Injektion folgenden 180 min spricht sehr für die Injektion von Insulin. Post mortem sollte bei der Obduktion neben den gängigen Materialien FVB und Urin auch die GKF entnommen werden. In FVB und GKF ist humanes Insulin normalerweise nicht nachweisbar. Erst in Überdosissituationen kann humanes oder 2 synthetische Insuline in der GKF nachgewiesen werden. Für die Praxis wird, wenn möglich, eine Insulinbestimmung aus Serum empfohlen, am besten in ante mortem Material von Verstorbenen. Weiterhin konnte in einem Fall gezeigt werden, dass die Injektionsstelle und weitere Organe für einen chromatographischen Nachweis von humanem/synthetischen Insulinen nach Immunoaffinitätsaufreinigung mit magnetischen beads als geeignete Untersuchungsmaterialien gelten können.
Für die Diagnose „Diabetes“ post mortem stehen neben pathomorphologischen und histologischen Befunden biochemische Messungen zur Verfügung. Hinweise geben ein HbA1c > 6,5 %, Fructosamin im Serum > 300 μmol/l im Serum, > 100 μmol/l in der GKF und > 150 μmol/l in der CSF, Anhydroglucitol < 10 μg/ml im FVB. Umgekehrt schließen aber andere Ergebnisse bzgl. dieser Parameter einen Diabetes nicht aus. Methylglyoxal eignet sich nicht als post mortem Marker, da nach dem Tod ein enormer Anstieg der Konzentrationen sowohl bei Kontrollfällen als auch bei Fällen mit einer diabetischen Stoffwechselentgleisung auftritt.
Bei der Frage nach einem diabetischen Koma wird zusätzlich eine Analyse auf Ketonkörper empfohlen, eine Glucosekonzentration in der GKF > 180 mg/dl als verlässlichsten Hinweis auf eine diabetische Stoffwechselentgleisung zu betrachten. Zusätzlich kann die Messung von Laktat in der GKF und der CSF und damit die Summenformel > 450 mg/dl in diesen Matrizes ergänzend auf ein diabetisches Koma hindeuten. Die Miteinbeziehung der Laktatkonzentration ergibt aber keinen Vorteil. Eine hohe Glucosekonzentration im Urin wird nur in Fällen mit diabetischem Koma beobachtet, sodass diese durchaus einen Hinweis auf diese Todesursache geben kann. Umgekehrt ist eine niedrige Glucosekonzentration im Urin aber kein Argument, ein diabetisches Koma auszuschließen. Erhöhte HbA1c-Konzentrationen und stark erniedrigte Anhydroglucitol-Konzentrationen korrelieren mit der Summenformel nach Traub und geben weitere Hinweise. In der Regel muss die Diagnose „diabetische Stoffwechselentgleisung“ aber immer eine Zusammenstellung von Befunden aus Anamnese, Obduktion, Histologie und forensischer Chemie erfolgen.
Weiterer Forschungsbedarf besteht für die Untersuchung der Insulin- und C-Peptid- Stabilität in realen postmortalen Blutproben und in anderen Matrizes. Das Verhalten von Anhydroglucitol im Urin ante und post mortem ist noch wenig untersucht und sollte Gegenstand weiterer Forschung sein. AG-Konzentrationen im Urin und Blutglucosekonzentrationen korrelieren aufgrund der Konkurrenz der beiden Zucker zur Rückresorption in der Niere positiv miteinander, was sich auch die Forensik bei der Diagnose von hyperglykämischen Stoffwechselentgleisungen zunutze machen könnte.

},

url = {https://hdl.handle.net/20.500.11811/5781}
}

Die folgenden Nutzungsbestimmungen sind mit dieser Ressource verbunden:

InCopyright