Schwermann, Achim H.: Über die Funktionsweise prätribosphenischer und tribosphenischer Gebisse. - Bonn, 2015. - Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Online-Ausgabe in bonndoc: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5n-40271
@phdthesis{handle:20.500.11811/6479,
urn: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5n-40271,
author = {{Achim H. Schwermann}},
title = {Über die Funktionsweise prätribosphenischer und tribosphenischer Gebisse},
school = {Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn},
year = 2015,
month = jun,

note = {In der mesozoischen Evolution der Säugetiere gilt die Entwicklung des tribosphenischen Molaren als ein Schlüssel zur Erschließung pflanzlicher Nahrungsressourcen. Während sich die Funktion des prätribosphenischen Molaren auf interdentales Scherschneiden beschränkt, erhält der tribosphenische Molar durch den neomorphen Protocon im oberen Molaren und das beckenartig geformte Talonid im unteren zusätzlich eine quetschende, komprimierende Funktion. Daher wird dem tribosphenischen Molaren allgemein eine höhere Effizienz zugesprochen als dem prätribosphenischen. In der Rezentfauna ist der prätribosphenische Molar nicht mehr vorhanden. Nach funktionalen Kriterien kommen ihm die zalambdodonten Molaren der Tenrecidae am nächsten. Die Molaren der untersuchten Arten der Tenrecidae werden in drei Gruppen unterteilt: Sie ähneln entweder dem tribosphenischen oder dem prätribosphenischen Zustand, oder weisen eine Vereinfachung auf, die über den prätribosphenischen Zustand hinausgeht. Bis auf die erste Gruppe, zu der nur Potamogale gerechnet wird, funktionieren diese Molarengebisse durch interdentales Ineinandergreifen von oberen und unteren Molaren. Dies gilt auch für die prätribosphenischen Molaren. Unterschiede bestehen dabei teilweise in der Führung des Kauschlages.
Bei Nanolestes drescherae handelt es sich um einen prätribosphenisch bezahnten Vertreter der Stammlinie der Zatheria aus dem Oberjura. Das Abkaumuster offenbart deutliche Usuren, die auf Zahn-Zahn-Kontakte zurückzuführen sind. Es handelt sich dabei jedoch hauptsächlich um Dentinfreilegungen, während Schmelzfacetten kaum ausgeprägt sind. In Letzterem besteht ein Unterschied zur früheren Analyse von Dryolestidenmolaren und zu Amphibetulimus krasnolutskii, einem weiteren untersuchten Vertreter der Stammlinie der Zatheria aus dem Mitteljura. Für N. drescherae belegen die Usuren und die Form der Parastylarrinne und des Hypoflexids eine transversale und aufwärts gerichtete Bewegung des Unterkiefers. Es besteht dabei eine Führung durch zwei Höcker-Rinnen-Systeme: das Protoconid fährt durch die Parastylarrinne, das Hypoflexid wird entlang des Paracons geführt. Der erste Zahn-Zahn-Kontakt erfolgt dabei zwischen der Spitze des Protoconids und der Parastylarrinne. Der Schluss der potentiellen scherschneidenden Kanten, den Außenkanten des primären Trigons im oberen Molaren und des Trigonids im unteren Molaren, erfolgt danach. In gleichbleibender Bewegung wird der Unterkiefer weiter nach aufwärts und lingual bewegt. Für N. drescherae ergibt sich das Bild eines Insektenfressers, bei dem das attritive Scherschneiden eine untergeordnete Rolle bei der Nahrungsaufbereitung gespielt hat. Es wird eine Nahrungspräferenz von zähen, weichen Arthropoden angenommen. Diese werden während des Kieferschlusses durch die spitzen Höcker fixiert und im weiteren Kieferschluss zwischen den oberen und unteren Molaren gedehnt.
Mit der Entwicklung der Zatheria und schließlich der Tribosphenida ändert sich die Führung des Kauschlages. Er wird nicht mehr durch das Ineinandergreifen von Protoconid und Parastylarrinne, bzw. Paracon und Hypoflexid bestimmt, sondern durch die Interaktion von Protocon und Talonid. Die Bedeutung des einspitzigen Talonids, genauer des Hypoflexids, als Führungsstruktur wird damit deutlich verringert. Mit der Entwicklung des tribosphenischen Molaren wird das Talonid dreihöckerig und bildet eine beckenartig geformte Struktur. In diese greift der neomorphe Protocon ein und kann so eine quetschende, komprimierende Funktion ausüben. Die hier zusammengefasste Differenzierung der Molarenfunktion von einem rein scherschneidenden zu einem scherschneidenden und quetschenden, komprimierenden Potential ist bereits mehrfach diskutiert worden. Nanolestes wird nach funktionalen Kriterien zu den wenig abgeleiteten Stammlinienvertretern der Zatheria gestellt, die sich durch ihr einspitziges Talonid und die einfache, dreieckige Grundform des oberen Molaren auszeichnen.
Das Potential des tribosphenischen Molaren zur Erschließung unterschiedlicher Nahrungsquellen wird hier an drei Opossumarten gezeigt. Obwohl die Molaren sich nur wenig unterscheiden, hat Didelphis eine omnivore Lebensweise, ist Monodelphis insektivor-carnivor und Caluromys frugivor. Es zeigt sich, dass bei breiterem Nahrungsspektrum diversere Zahnusuren auftreten. Je nach Differenzierung der Schmelzdicke der Zahnkrone und Einsatz der Molaren können sich, wie bei Monodelphis, durch Abnutzung potentiell scherschneidende Schmelzkanten herausbilden. Abrasiv ausgekolkte Dentinareale belegen regelmäßige Kompression von Nahrung, wie sie beispielsweise bei Caluromys auftritt. Mit leichter Variation der tribosphenischen Molarenform können also unterschiedliche Nahrungspräferenzen entstehen.
Unter der Hypothese, dass tribosphenische Molaren effizienter sind als prätribosphenische, wurden vergleichende Fütterungsversuche durchgeführt. Als tribosphenisch bezahnte Vertreter wurden Monodelphis und Tupaia verwendet. Als Analogon zum prätribosphenischen Molaren wurde Setifer genutzt. Obwohl Setifer zu der Gruppe der Tenrecidae gehört, deren Molaren stärker vereinfacht sind als die prätribosphenischen, wurde diese Art aufgrund der Verfügbarkeit herangezogen. Die Versuche haben gezeigt, dass die tribosphenisch bezahnten Taxa die verfütterten Mehlwürmer im Schnitt stärker zerkleinert haben als Setifer. Dies wird in der Regel mit einer besseren Nahrungsaufnahme gleichgesetzt. Die beobachteten Ergebnisse zeigen jedoch auch, dass bei ähnlichem Molarengebiss interspezifische, altersbedingte und sogar individuell unterschiedlich starke Zerkleinerung der Nahrung erfolgen kann.
Im Vergleich hat der tribosphenische Molar ein höheres Anwendungspotential und kann eine wirkungsvollere Zerkleinerung der Nahrung bewirken als prätribosphenische, bzw. zalambdodonte Molaren.},

url = {https://hdl.handle.net/20.500.11811/6479}
}

The following license files are associated with this item:

InCopyright