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Evolutionsstadien der Kaufunktionen früher Artiodactyla

dc.contributor.advisorMartin, Thomas
dc.contributor.authorSchwermann, Leonie C.
dc.date.accessioned2020-04-22T21:39:45Z
dc.date.available2020-04-22T21:39:45Z
dc.date.issued13.09.2016
dc.identifier.urihttps://hdl.handle.net/20.500.11811/6867
dc.description.abstractEin differenziertes Gebiss mit spezialisierten Molaren und deren Mastikation sind Merkmale der Säugetiere. Besonders die postcanine Bezahnung zeigt spezifische Anpassungen an eine effiziente Zerkleinerung der jeweiligen Nahrung. Bereits in der paläogenen Radiation der Artiodactyla treten zahlreiche unterschiedliche Zahnformen auf, die als Anpassungen an herbivore Lebensweisen zu sehen sind. Dabei kommt es mehrfach zu der konvergenten Entwicklung von selenodonten Höckern.
Sieben dentale Morphotypen wurden definiert, um die Vielfalt der Molarenformen in der frühen Artiodactyla-Evolution zu beschreiben und die damit verbundenen Kaufunktionen zu analysieren. An der evolutiven Basis der Artiodactyla steht Diacodexis mit einem wenig abgeleiteten Gebiss, das dem tribosphenischen ähnelt. Diacodexis zeigt einen zweiphasigen, funktionell differenzierten power stroke, dessen zwei Phasen sich in der Neigung und Bewegungsrichtung des Unterkiefers unterscheiden. Eine starke laterale Komponente in der Bewegung zeigt eine Effizienzminderung der quetschenden Funktion durch das Höcker-Becken-System bei gleichzeitiger Verstärkung der schnei-dend-scherenden Funktion an den bukkalen Höckern der oberen Molaren. Das deutet darauf hin, dass strukturelle Pflanzenteile wie Blätter und Äste genauso Bestandteil des Nahrungsspektrums waren, wie Früchte, Samen, Nüsse und ähnliches. Dichobune und Helohyus haben auf ihren oberen Molaren einen kleinen Hypocon entwickelt und unterscheiden sich dadurch vom ursprünglich tribosphenischen Habitus. Der power stroke ähnelt dem von Diacodexis. Stumpfere Höcker und die gesteigerte Effizienz der quetschenden Funktion durch den Hypocon deuten auf einen höheren Anteil von reproduktiven Pflanzenteilen wie Früchten, Samen und Nüssen an der Nahrung hin. Gobiohyus hat einen vergrößerten und nach lingual verschobenen Metaconulus. Die bukkalen Höcker sind ectolophartig entwickelt und die Schmelzkanten durch ein kräftiges Parastyl verlängert. Trotz einer ähnlichen Kaubewegung wie bei Diacodexis, Dichobune und Helohyus haben Blätter bei Gobiohyus vermutlich einen größeren Anteil an der Nahrung gebildet. Durch den distolingualen Metaconulus ist gleichzeitig eine Effizienzsteigerung der quetschenden Funktion gegeben, ein Hinweis darauf, dass auch Früchte, Samen und Nüsse Bestandteil des Nahrungsspektrums waren. Die Molaren von Elomeryx stellen ein Übergangsstadium zwischen bunodonten und selenodonten Formen dar. Die bukkalen Höcker der oberen Molaren von Elomeryx sind selenodont und durch Abnutzung kommt es zur Schmelzkantenverdoppelung. Die lingualen Höcker sind bunodont. Das Trigonbecken ist teilweise, das Talonidbecken vollständig reduziert. Der power stroke ist zweiphasig und ähnelt dem von Diacodexis, Dichobune, Helohyus und Gobiohyus. Die strukturellen Veränderungen der Zahnoberflächen deuten auf einen erhöhten Anteil von Blättern in der Nahrung hin. Die Reduktion der Beckenstrukturen zeigt eine verringerte Bedeutung der quetschenden Funktion an. Caenomeryx unterscheidet sich in seiner Kaufunktion von den übrigen Taxa mit einem zweiphasigen power stroke. Alle Höcker sind selenodont, die Beckenstrukturen sind vollständig reduziert. Es gibt keine zentrale Okklusion, aber dennoch eine Neigungsänderung nach der maximalen Verzahnung und eine Phase II, die durch einen Zahn-Zahn-Kontakt charakterisiert ist. Insgesamt deuten die Zähne auf eine Ernährung von strukturellen Pflanzenteilen hin. Aufgrund der geringen Körpergröße und dem damit verbundenen Energiebedarf waren jedoch vermutlich auch Früchte, Samen, Sprossen und eventuell Insekten im Nahrungsspektrum enthalten. Agriochoerus und Poebrotherium zeigen mit ihren (buno-)selenodonten Gebissen einen ähnlichen power stroke, der sich durch eine einheitliche Bewegung und damit eine Kombination der Phasen I und II auszeichnet. Eine funktionelle Differenzierung ist kaum gegeben. Durch doppelte Schmelzkanten an allen vier Höckern ist die schneidend-scherende Funktion in ihrer Effizienz erheblich gesteigert. Das deutet darauf hin, dass Blätter und Gras die Hauptbestandteile der Nahrung beider Gattungen bildeten.
Mit der Selenodontie kommt es zu einer Vereinheitlichung der Kaubewegung. Die komplexen Höckerstrukturen bedingen eine stark ausgeprägte Stereotypie der Kaubewegung, die in einer gleichförmigen Ausbildung von Facetten resultiert und eine Effizienzsteigerung des einzelnen Kauschlags bewirkt. Mit der Veränderung der Zahnform wird die Quetschfunktion, welche in der tribosphenischen Konfiguration durch Protocon/Talonidbecken und Hypoconid/Trigonbecken ausgeführt wird, auf andere Strukturen verlagert. Insgesamt tritt die Quetschfunktion am selenodonten Zahn gegenüber der scherend-schneidenden Komponente in den Hintergrund. Die Funktionalität der Molaren verschiebt sich mit der Enwicklung selenodonter Höcker von der primären zu der sekundären Kronenform, welche die Voraussetzung für Hypsodontie ist. Neben der Vereinheitlichung des power stroke geht mit der Entwicklung der Selenodontie eine Verschiebung im Nahrungsspektrum von eher reproduktiven Pflanzenteilen zu einer von strukturellen Pflanzenteilen dominierten Nahrung einher.
dc.description.abstractA differentiated dentition with specialized molars and mastication are characteristic for mammals. In particular, the postcanine dentition shows specific adaptations for an efficient food processing. During the Paleogene radiation of artiodactyls numerous tooth shapes evolve as adaptations to an herbivorous diet. This includes convergent evolution of a selenodont dental pattern within several early artiodactyls.
In this study seven dental morphotypes were defined to describe the molar diversity of early artiodactyls and to analyze the specific chewing functions. The basally-divergent artiodactyl Diacodexis exhibits a less derived dentition, similar to the tribosphenic tooth pattern of early therians. Diacodexis shows a functional differentiated power stroke with two phases, which differ in inclination and directional movement of the lower jaw. The detected strong lateral component of the power stroke indicates a decrease in efficiency of the crushing function of the cusp-basin system and a concurrent increase of the cutting-shearing function on the buccal cusps of the upper molars. This indicates that structural plant elements were part of the dietary spectrum as well as reproductive plant elements. Dichobune and Helohyus have a small hypocone on their upper molars and thus differ from the tribosphenic dental pattern. The power stroke is similar to Diacodexis. The blunter cusps, and possible increased efficiency of the crushing function due to the presence of the hypocone, suggest that reproductive plant elements constituted a greater proportion of their diet. Gobiohyus has an enlarged and lingually shifted metaconule. The buccal crests of the upper molars show the beginning of a developing ectoloph and the enamel edge is extended by a large parastyle. Despite the fact that the chewing motion is similar to Diacodexis, Dichobune, and Helohyus, structural plant elements probably constituted the greater part of the dietary spectrum. The distolingually positioned metaconule leads to an increase in efficiency of the crushing function compared to Diacodexis, suggesting that reproductive plant elements are also part of the dietary spectrum. The molars of Elomeryx are intermediate between bunodont and selenodont dentitions. Elomeryx has selenodont buccal cusps on the upper molars on which wear produces doubled enamel edges. The lingual cusps are bunodont. The trigon basin is partly reduced, while the talonid basin is completely reduced. The power stroke has two phases and resembles that of Diacodexis, Dichobune, Helohyus, and Gobiohyus. The structural changes of the tooth surface indicate a greater portion of structural plant parts in the dietary spectrum. The reduction of the basins suggests a decreased importance of the crushing function. Caenomeryx differs in its chewing function from the two-phased power stroke of the other taxa. All molar cusps of Caenomeryx are selenodont and the basins are completely reduced. There is no centric occlusion, but a change of inclination is present following maximum intercuspation. Phase II is characterized by tooth-tooth-contact. Overall the dentition suggests a diet composed mainly of structural plant elements. In contrast, the small body size indicates rather fruits, seeds, sprouts and possibly insects were also part of the dietary spectrum. Agriochoerus and Poebrotherium have (buno-) selenodont dentitions with four-cusped molars and a power stroke characterized by a uniform movement and combination of phase I and II. There is no functional differentiation. Doubled enamel edges on all cusps of the upper and lower molars seem to have an impact on efficiency of the cutting-shearing function. Leaves and grass were main parts of the diet of both genera.
The selenodont dentition results in a unified, single chewing motion. The complex cusp morphology produces a distinctive stereotypical chewing motion that results in a homogeneous development of wear facets and increases the efficiency of each single power stroke. Through changes in the occlusal surface, the crushing function, which in tribosphenic teeth is performed by the protocone/talonid basin and hypoconid/trigon basin, is reduced and displaced to other structures. In the selenodont dentition, the crushing function becomes less important compared to the cutting-shearing function. The functionality of the molars shifts from its primary crown shape in the bunodont dentition to the secondary crown shape in the selenodont dentition. This is a precondition for hypsodonty. In addition to the uniform chewing motion, the evolution of selenodont cusps occurs with a shift from a more reproductive part of plants dominated diet to a dietary spectrum with emphasis on structural plant elements.
dc.language.isodeu
dc.rightsIn Copyright
dc.rights.urihttp://rightsstatements.org/vocab/InC/1.0/
dc.subjectGebiss
dc.subjectEvolution
dc.subjectPaarhufer
dc.subjectMastikation
dc.subjectFunktionsmorphologie
dc.subjectDentition
dc.subjectArtiodactyla
dc.subjectMastication
dc.subjectFunctional morphology
dc.subject.ddc560 Paläontologie
dc.titleEvolutionsstadien der Kaufunktionen früher Artiodactyla
dc.typeDissertation oder Habilitation
dc.publisher.nameUniversitäts- und Landesbibliothek Bonn
dc.publisher.locationBonn
dc.rights.accessRightsopenAccess
dc.identifier.urnhttps://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5n-44538
ulbbn.pubtypeErstveröffentlichung
ulbbn.birthnameLenssen
ulbbnediss.affiliation.nameRheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
ulbbnediss.affiliation.locationBonn
ulbbnediss.thesis.levelDissertation
ulbbnediss.dissID4453
ulbbnediss.date.accepted12.07.2016
ulbbnediss.instituteMathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät : Fachgruppe Erdwissenschaften / Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie
ulbbnediss.fakultaetMathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
dc.contributor.coRefereevon Koenigswald, Wighart


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