Schneider, Erik Sebastian: Funktionsmorphologische Untersuchungen abdominaler Infrarot-Rezeptoren von Insekten. - Bonn, 2014. - Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Online-Ausgabe in bonndoc: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5n-38613
@phdthesis{handle:20.500.11811/6218,
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title = {Funktionsmorphologische Untersuchungen abdominaler Infrarot-Rezeptoren von Insekten},
school = {Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn},
year = 2014,
month = dec,

note = {Infrarot (IR) -Rezeptoren sind innerhalb der Insekten offensichtlich mehrfach unabhängig voneinander entstanden. Bei den Vertretern der Gattung Melanophila, einigen Rindenwanzen der Gattung Aradus und bei dem australischen Käfer Acanthocnemus nigricans sind diese aus unterschiedlichen Vorläuferstrukturen in verschiedenen Bereichen des Thorax entstanden. Abdominale IR-Rezeptoren hingegen sind bisher nur beim australischen Feuerkäfer Merimna atrata und der Wanze Leptoglossus occidentalis beschrieben worden und sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit.
Der australische Feuerkäfer Merimna atrata (Buprestidae, Coleoptera) zeigt ein ausgeprägtes pyrophiles („Feuer liebendes“) Verhalten. Käfer dieser Spezies suchen gezielt frische Brandflächen auf, die durch offenes Feuer, heiße Asche und Rauch gekennzeichnet sind. Grund für dieses ungewöhnliche Verhalten ist die Abhängigkeit ihres Reproduktionszyklus von Waldbränden. Die IR-Organe von Merimna atrata befinden sich paarig angeordnet auf den abdominalen Sterniten. Sie bestehen aus einem spezialisierten Cuticula-Bereich, der rundlichen absorbierenden Fläche, und einem sensorischen Komplex, der diesen Bereich innerviert. Der sensorische Komplex beinhaltet ein thermosensitives, multipolares Neuron mit einer spezialisierten dendritischen Region, der sog. terminalen dendritischen Masse (TDM). In direkter Nähe zu diesem multipolaren Neuron befinden sich zusätzlich mechanorezeptive Strukturen (Skolopidien), deren genaue Morphologie und Funktion im IR-Organ jedoch zu Beginn der Arbeit weitgehend unbekannt waren.
Leptoglossus occidentalis (Coreidae, Hemiptera) ist die einzige Insektenspezies ohne pyrophile Lebensweise, für die ebenfalls extra-antennale IR-Rezeptoren beschrieben wurden. Es handelt sich um eine, ursprünglich in Nordamerika beheimatete, mittlerweile kosmopolitisch verbreitete Spezies, die sich phytophag von sich entwickelnden Samen verschiedener Koniferen ernährt. Basierend auf Verhaltensexperimenten und elektro-physiologischen Untersuchungen wurde beschrieben, dass L. occidentalis ebenfalls über abdominale IR-Rezeptoren verfügt. Der IR-Sinn soll dazu dienen, die Samen tragenden Zapfen aufzuspüren. Morphologische Daten über die dafür notwendigen Rezeptorstrukturen fehlten bisher jedoch.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollten auch die vermeintlichen IR-rezeptiven Strukturen von L. occidentalis morphologisch charakterisiert werden. Die gewonnenen Ergebnisse widerlegen aufgrund mangelnder Innervation eine mögliche Funktion der in der Literatur beschriebenen abdominalen Strukturen als IR-Rezeptoren. Es konnten jedoch unterschied-liche Typen epidermaler Drüsenzellen in hoher Zahl identifiziert werden, die eine sekretorische Funktion der besagten Bereiche nahelegen.
Das Vorkommen von IR-Rezeptoren bei Insekten ist somit nach aktuellem Kenntnisstand beschränkt auf Spezies mit pyrophiler Lebensweise. Abdominale IR-Rezeptoren existieren bisher nur bei Merimna atrata.
Im Vordergrund der Arbeiten lag die funktionsmorphologische Charakterisierung der im IR-Organ von Merimna identifizierten Skolopidien im Hinblick auf eine mögliche Beteiligung bei der IR-Rezeption. Die gewonnenen Ergebnisse belegen eine zusätzliche Innervation des IR-Organs durch ein einzelnes Chordotonalorgan. Dieses befindet sich in direkter Nachbarschaft zu dem bereits beschriebenen thermosensitiven multipolaren Neuron. Das Chordotonalorgan besteht aus zwei einzelnen nebeneinander liegenden mononematischen, monodynalen Skolopidien. Ihre Dendriten erstrecken sich in anteriorer Richtung und sind über Kappenzellen unterhalb der Cuticula im Zentrum der absorbierenden Fläche befestigt. Die relative Position und Lagebeziehung der sensorischen Komponenten im Verhältnis zur absorbierenden Fläche konnte über die Kombination neuroanatomischer Färbetechniken und dreidimensionale Rekonstruktion eindeutig bestimmt werden. Vergleichende Untersuchungen an abdominaler Cuticula offenbarten weitere strukturelle Spezialisierungen der absor-bierenden Fläche, insbesondere im Bereich des sensorischen Komplexes und der Anheftungsstellen der Skolopidien. So ist die Dicke der Cuticula im Zentrum der absor-bierenden Fläche im Vergleich zu gewöhnlicher abdominaler Cuticula um durchschnittlich 47% reduziert. Auch der relative Anteil der unterschiedlichen Cuticula-Schichten sowie ihre Materialeigenschaften (Elastizitätsmodul und Härte) weisen signifikante Unterschiede auf.
Basierend auf den gewonnen Daten zur dreidimensionalen Morphologie der absorbierenden Fläche und ihrer Materialeigenschaften wurden mit Hilfe von Finite Element Simulationen ihre thermomechanischen Eigenschaften analysiert. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass bei Erwärmung deutliche thermische Deformationen der absorbierenden Fläche auftreten. Eine potentielle Funktion der Skolopidien als thermo-, bzw. photomechanische IR-Rezeptoren ist daher denkbar. Des Weiteren deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Skolopidien als potentielle IR-Rezeptoren möglicherweise keine höhere Sensitivität aufweisen als das multipolare Neuron. Eine potentielle Funktion der zusätzlichen Innervation des IR-Organs durch ein Chordotonalorgan ist somit eher in der Erweiterung des generellen Funktionsumfangs, z.B. durch die Vergrößerung des Dynamikbereichs, einer Verringerung der Ansprechzeiten, einer höheren Ausfallsicherheit oder verbesserten Filtereigenschaften zu erwarten.},

url = {https://hdl.handle.net/20.500.11811/6218}
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