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Funktionsmorphologische Untersuchungen abdominaler Infrarot-Rezeptoren von Insekten

dc.contributor.advisorSchmitz, Helmut
dc.contributor.authorSchneider, Erik Sebastian
dc.date.accessioned2020-04-20T04:37:30Z
dc.date.available2020-04-20T04:37:30Z
dc.date.issued12.12.2014
dc.identifier.urihttps://hdl.handle.net/20.500.11811/6218
dc.description.abstractInfrarot (IR) -Rezeptoren sind innerhalb der Insekten offensichtlich mehrfach unabhängig voneinander entstanden. Bei den Vertretern der Gattung Melanophila, einigen Rindenwanzen der Gattung Aradus und bei dem australischen Käfer Acanthocnemus nigricans sind diese aus unterschiedlichen Vorläuferstrukturen in verschiedenen Bereichen des Thorax entstanden. Abdominale IR-Rezeptoren hingegen sind bisher nur beim australischen Feuerkäfer Merimna atrata und der Wanze Leptoglossus occidentalis beschrieben worden und sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit.
Der australische Feuerkäfer Merimna atrata (Buprestidae, Coleoptera) zeigt ein ausgeprägtes pyrophiles („Feuer liebendes“) Verhalten. Käfer dieser Spezies suchen gezielt frische Brandflächen auf, die durch offenes Feuer, heiße Asche und Rauch gekennzeichnet sind. Grund für dieses ungewöhnliche Verhalten ist die Abhängigkeit ihres Reproduktionszyklus von Waldbränden. Die IR-Organe von Merimna atrata befinden sich paarig angeordnet auf den abdominalen Sterniten. Sie bestehen aus einem spezialisierten Cuticula-Bereich, der rundlichen absorbierenden Fläche, und einem sensorischen Komplex, der diesen Bereich innerviert. Der sensorische Komplex beinhaltet ein thermosensitives, multipolares Neuron mit einer spezialisierten dendritischen Region, der sog. terminalen dendritischen Masse (TDM). In direkter Nähe zu diesem multipolaren Neuron befinden sich zusätzlich mechanorezeptive Strukturen (Skolopidien), deren genaue Morphologie und Funktion im IR-Organ jedoch zu Beginn der Arbeit weitgehend unbekannt waren.
Leptoglossus occidentalis (Coreidae, Hemiptera) ist die einzige Insektenspezies ohne pyrophile Lebensweise, für die ebenfalls extra-antennale IR-Rezeptoren beschrieben wurden. Es handelt sich um eine, ursprünglich in Nordamerika beheimatete, mittlerweile kosmopolitisch verbreitete Spezies, die sich phytophag von sich entwickelnden Samen verschiedener Koniferen ernährt. Basierend auf Verhaltensexperimenten und elektro-physiologischen Untersuchungen wurde beschrieben, dass L. occidentalis ebenfalls über abdominale IR-Rezeptoren verfügt. Der IR-Sinn soll dazu dienen, die Samen tragenden Zapfen aufzuspüren. Morphologische Daten über die dafür notwendigen Rezeptorstrukturen fehlten bisher jedoch.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollten auch die vermeintlichen IR-rezeptiven Strukturen von L. occidentalis morphologisch charakterisiert werden. Die gewonnenen Ergebnisse widerlegen aufgrund mangelnder Innervation eine mögliche Funktion der in der Literatur beschriebenen abdominalen Strukturen als IR-Rezeptoren. Es konnten jedoch unterschied-liche Typen epidermaler Drüsenzellen in hoher Zahl identifiziert werden, die eine sekretorische Funktion der besagten Bereiche nahelegen.
Das Vorkommen von IR-Rezeptoren bei Insekten ist somit nach aktuellem Kenntnisstand beschränkt auf Spezies mit pyrophiler Lebensweise. Abdominale IR-Rezeptoren existieren bisher nur bei Merimna atrata.
Im Vordergrund der Arbeiten lag die funktionsmorphologische Charakterisierung der im IR-Organ von Merimna identifizierten Skolopidien im Hinblick auf eine mögliche Beteiligung bei der IR-Rezeption. Die gewonnenen Ergebnisse belegen eine zusätzliche Innervation des IR-Organs durch ein einzelnes Chordotonalorgan. Dieses befindet sich in direkter Nachbarschaft zu dem bereits beschriebenen thermosensitiven multipolaren Neuron. Das Chordotonalorgan besteht aus zwei einzelnen nebeneinander liegenden mononematischen, monodynalen Skolopidien. Ihre Dendriten erstrecken sich in anteriorer Richtung und sind über Kappenzellen unterhalb der Cuticula im Zentrum der absorbierenden Fläche befestigt. Die relative Position und Lagebeziehung der sensorischen Komponenten im Verhältnis zur absorbierenden Fläche konnte über die Kombination neuroanatomischer Färbetechniken und dreidimensionale Rekonstruktion eindeutig bestimmt werden. Vergleichende Untersuchungen an abdominaler Cuticula offenbarten weitere strukturelle Spezialisierungen der absor-bierenden Fläche, insbesondere im Bereich des sensorischen Komplexes und der Anheftungsstellen der Skolopidien. So ist die Dicke der Cuticula im Zentrum der absor-bierenden Fläche im Vergleich zu gewöhnlicher abdominaler Cuticula um durchschnittlich 47% reduziert. Auch der relative Anteil der unterschiedlichen Cuticula-Schichten sowie ihre Materialeigenschaften (Elastizitätsmodul und Härte) weisen signifikante Unterschiede auf.
Basierend auf den gewonnen Daten zur dreidimensionalen Morphologie der absorbierenden Fläche und ihrer Materialeigenschaften wurden mit Hilfe von Finite Element Simulationen ihre thermomechanischen Eigenschaften analysiert. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass bei Erwärmung deutliche thermische Deformationen der absorbierenden Fläche auftreten. Eine potentielle Funktion der Skolopidien als thermo-, bzw. photomechanische IR-Rezeptoren ist daher denkbar. Des Weiteren deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Skolopidien als potentielle IR-Rezeptoren möglicherweise keine höhere Sensitivität aufweisen als das multipolare Neuron. Eine potentielle Funktion der zusätzlichen Innervation des IR-Organs durch ein Chordotonalorgan ist somit eher in der Erweiterung des generellen Funktionsumfangs, z.B. durch die Vergrößerung des Dynamikbereichs, einer Verringerung der Ansprechzeiten, einer höheren Ausfallsicherheit oder verbesserten Filtereigenschaften zu erwarten.
dc.description.abstractFunctional morphology of abdominal infrared receptors of insects
In insects, infrared (IR) -receptors have evolved several times independently. IR-receptors can be found in buprestid beetles of the genus Melanophila, in several flat bug species belonging to the genus Aradus, and in the Australian beetle Acanthocnemus nigricans on different regions of the thoracic segments, respectively. Abdominal IR-receptors, so far have been described only in the Australian ‘fire-beetle’, Merimna atrata, and in the western conifer seed bug, Leptoglossus occidentalis. The abdominal IR-receptors in the two mentioned species are the subject of the present thesis.
As the name already indicates, the ‘fire-beetle’ Merimna atrata (Buprestidae, Coleoptera) shows a pronounced pyrophilous (“fire-loving”) behavior. Beetles of this species approach freshly burnt areas that are characterized by open flames, hot ash and smoke. A reason for this unusual behavior is the dependency of the reproductive cycle of Merimna atrata on the occurrence of forest fires.
IR-organs are located in pairs on the abdominal sternites. They consist of a specialized cuticular portion, the roundish absorbing area, and a sensory complex innervating this area. The sensory complex comprises a thermosensitive, multipolar neuron with a specialized dendritic region, the so-called terminal dendritic mass (TDM). In direct vicinity to the multipolar neuron additional mechanoreceptive units (scolopidia) have been identified, but their specific morphology and function within the IR-organ, so far were unknown.
Leptoglossus occidentalis (Coreidae, Hemiptera) is the only non-pyrophilous insect species, for which extra-antennal IR-receptors have been described. Originally native to North-America, L. occidentalis became a cosmopolitan in the recent years. The species feeds on developing seeds of different conifers. Based on behavioral and electrophysiological experiments it has been proposed that L. occidentalis is equipped with abdominal IR-receptors used for the localization of cones. Morphological data on the underlying IR-receptors, however, are missing. In the present thesis an attempt was made to characterize the putative IR-receptors of L. occidentalis morphologically. Due to missing innervation the results clearly disprove the existence of abdominal IR-receptors in L. occidentalis. Instead, the identification of different types of epidermal glandular cells, occurring in high numbers, indicates a secretory function of the proposed regions. According to these results, the existence of IR-receptors in insects is still restricted to pyrophilous beetles. Abdominal IR-receptors can be found, so far, only in Merimna atrata.
Investigations on the IR-organ of Merimna atrata confirmed a bimodal innervation by an additional mechanosensory unit, represented by a single chordotonal organ situated in close proximity to the thermosensitive multipolar neuron. The chordotonal organ houses two single mononematic, monodynal scolopidia. They are located approximately in the center of the absorbing area. Their dendrites extend in anterior direction and are attached to the cuticle apically via a cap cell. The relative position and orientation of the sensory cells in relation to the absorbing area was determined by combining neuroanatomical staining techniques with three-dimensional reconstructions. Comparative studies on the abdominal cuticle revealed further structural specializations of the absorbing area, especially at the region of the sensory complex and the attachment sites of the scolopidia. Accordingly, cuticular thickness at the center of the absorbing area is reduced on average by 47% in comparison to normal abdominal cuticle. Furthermore, the relative proportion of the different cuticular layers and their respective material properties exhibit significant differences at both regions.
Based on these findings, the thermomechanical properties of the absorbing area were analyzed by using finite element simulations. The results indicate that a distinct thermal deformation of the absorbing area takes place in response to heating of the exterior cuticle. Therefore, a function of the scolopidia as putative thermo- or photomechanical IR-receptors seems possible. The findings further indicate that the scolopidia, if acting as IR-receptors, probably do not exhibit higher sensitivities as the multipolar neuron. Other probable benefits provided by the additional mechanoreceptive innervation of the IR-organ could include e.g. faster response times, a larger dynamic range, higher reliability or improved filter properties. In summary, this could increase the overall performance of the whole IR-organ.
dc.language.isodeu
dc.language.isoeng
dc.rightsIn Copyright
dc.rights.urihttp://rightsstatements.org/vocab/InC/1.0/
dc.subjectInfrarotrezeptor
dc.subjectThermorezeptor
dc.subjectFeuerdetektion
dc.subjectpyrophiles Verhalten
dc.subjectbimodale Innervation
dc.subjectChordotonalorgan
dc.subjectMerimna atrata
dc.subjectLeptoglossus occidentalis
dc.subjectinfrared receptor
dc.subjectthermoreceptor
dc.subjectfire detection
dc.subjectpyrophilous behavior
dc.subjectbimodal innervation
dc.subjectchordotonal organ
dc.subject.ddc590 Tiere (Zoologie)
dc.titleFunktionsmorphologische Untersuchungen abdominaler Infrarot-Rezeptoren von Insekten
dc.typeDissertation oder Habilitation
dc.publisher.nameUniversitäts- und Landesbibliothek Bonn
dc.publisher.locationBonn
dc.rights.accessRightsopenAccess
dc.identifier.urnhttps://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5n-38613
ulbbn.pubtypeErstveröffentlichung
ulbbnediss.affiliation.nameRheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
ulbbnediss.affiliation.locationBonn
ulbbnediss.thesis.levelDissertation
ulbbnediss.dissID3861
ulbbnediss.date.accepted03.12.2014
ulbbnediss.instituteMathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät : Fachgruppe Biologie / Institut für Zoologie (IZ)
ulbbnediss.fakultaetMathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
dc.contributor.coRefereeBleckmann, Horst


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